
Kunststücke und Dressur können Spaß machen und die Bindung stärken
„Oh! Ihr Hund ist aber gut erzogen“ – der Dame macht mächtig Eindruck, dass der Hund auf Befehl eine Rolle rückwärts springen kann, einen Keks auf der Nase balancieren und „High-Five.“ Nur leider haben diese Kunststückchen mit Erziehung gar nichts zu tun. Sondern mit Dressur.
Erziehung ist nicht Sitz, Platz, Fuß
Die Erziehung eines Hundes hat nichts – aber auch gar nichts damit zu tun, ob er Sitz, Platz, Fuß oder irgendwelche Kunststücke kann. Erziehung ist etwas ganz anderes – etwas im Alltag viel Wichtigeres: Ein gut erzogener Hund ist ein gut sozialisierter Hund, der sich in seinem Umfeld so benimmt, dass er nicht stört.
Ein gut erzogener Hund läuft ordentlich – nicht zwingend Fuß – an der Leine (und zwar auch im Wald), er lässt sich abrufen, er pöbelt weder Menschen noch Hunde an, er belästigt nicht, er pinkelt nicht an jede Ecke oder an jedes Fahrrad. Er kennt seine Position in seinem sozialen Umfeld. Ein erzogener Hund hat Geduld gelernt, kann mit Frustrationen umgehen – zum Beispiel einem Ball NICHT hinterherlaufen und er kann sich auch mal zwei, drei Stunden in eine Ecke legen, ohne ständig im Mittelpunkt stehen zu müssen. Kurz: Ein gut erzogener Hund ist ein alltagstauglicher Hund.
Dressur: Fuß, Spring, Platz, Bleib…
Wenn ein Hund perfekt Fuß läuft – Schulter auf Kniehöhe, wenn er 10 Minuten lang wie festgetackert liegen bleibt, wenn er Kunststückchen macht – dann ist das unter Umständen sehr sinnvoll, hat aber mit Erziehung nichts zu tun. Eher mit Dressur und mit Gehorsam. Diese Dinge sind manchmal sinnvoll, manchmal auch nur lustig.
Sinnvoll deshalb, weil das gemeinsame Erarbeiten dieser Fähigkeiten sowohl den Zusammenhalt zwischen Hund und Menschen, aber auch das Selbstvertrauen des Hundes stärken kann. Und außerdem macht es Spaß – und Spaß wiederum stärkt den Zusammenhalt.
Ausbildung – Verknüpfung von Verhaltensschritten
Noch einen Schritt weiter geht die Ausbildung des Hundes – hier geht es nicht mehr nur um das Umsetzen eines einzelnen, erlernten Schrittes – sondern um das situativ richtige Umsetzen ganzer Verhaltensabläufe.

In der Ausbildung lernt der Hund verschiedene Aktionen zu verknüpfen
Mantrailer, Rettungshunde, Jagdhunde, Blindenhunde – all diese Hunde haben Abläufe erlernt, die sie abrufen und einsetzen können – sie können die einzelnen Tätigkeiten situativ richtig anwenden, sie können in einem gewissen Rahmen frei entscheiden, welche Tätigkeit als nächste folgt und welche Schritte und Vorgehensweisen zum Erfolg führen.
Eine Ausbildung bedeutet: schrittweises Erlernen von einzelnen Tätigkeiten, üben, verknüpfen und das Sammeln von Erfahrungen um das Erlernte auch in neuen Sitautionen richtig einsetzen zu können. Eine Ausbildung ist entsprechend komplexer als das Einüben von einzelnen Befehlen.
Miserabel erzogen, perfekt dressiert
Ein Blick auf einige Hundeplätze zeigt, was mit gemeint ist: Old-School-Hundehalter, deren Hunde perfekt jeden Befehl auf dem Hundeplatz ausführen. 90-Grad-Wendungen von bestechender Schönheit – aber kaum vom Platz weg, benehmen sich die Hunde wie die Sau im Rübenacker. Sie kläffen, pöbeln, und fallen im schlimmsten Fall übereinander her und haben so gar nichts mehr mit dem Hund zu tun, den man eben noch auf dem Platz gesehen hat.
Es setzt sich aber langsam die Erkenntnis durch, dass eine perfekte Platzarbeit sehr viel mit Dressur zu tun hat – aber sehr wenig mit Erziehung. Nur ein paar Ewiggestrige haben das noch immer nicht kapiert.
Ausbildung und Dressur sind nichts Negatives
Auf der anderen Seite mokieren sich sehr viele Hundehalter über den „Kadavergehorsam“ der anderen – und lassen den Hund gerne “einfach mal Hund sein“. Allerdings: Nur wer keinen dressierten Hund hat, hat deswegen noch lange keinen erzogenen.
Eine gute Erziehung ist die Basis für ein stressfreies Zusammenleben mit einem Hund im Alltag – dass das für die meisten Hunde nicht ausreicht, weil sie eine adäquate Beschäftigung, sprich Auslastung, brauchen, steht auf einem anderen Blatt.
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