
Würde Ihr bester Freund Ihre besten Schuhe zerstören? Würde Ihr bester Freund Sie an der Hand quer über eine matschige Wiese zerren, obwohl Sie ihn bitten, das nicht zu tun und als was würden Sie jemanden bezeichnen, der Sie trotz Ihres inständigen Bittens schlicht mal drei Stunden im Regen warten lässt, bis er wieder kommt? Kaum als besten Freund! Und genau das tun unsere Hunde – sie machen Dinge kaputt, schmutzig, sie gehorchen nicht. Kurz, sie tun alles, was ein bester Freund nicht tut – sogar einen für ein bessere Angebot (sprich ein Stück Wurst) stehen lassen.Und trotzdem bezeichnen wir den Hund als den besten Freund des Menschen?
Der Hund ist ein Hund, kein Freund Des Menschen!
Hunde sind in unserer Gesellschaft vieles: Kinder-Ersatz, Ersatz für Familie, für Freunde und soziale Kontakte, sie werden benutzt als seelischen Mülleimer für all unsere Probleme, einige Hunde(rassen) werden als Statussymbol missbraucht und – weil es für einen Porsche nicht reicht – um zu imponieren. Manche Menschen halten besonders große und urtümliche Hunde, damit die Wildheit und Urtümlichkeit auf sie abfärben möge und um sich vom Mainstream der „normalen“ Hundehalter zu differenzieren. Manche Hunde werden benutzt, um andere Menschen zu ängstigen und als Prothese für das mickrige Selbstbewusstsein der Halter – und all diese Jobs machen die Hunde gut. Sehr gut sogar und vor allem machen unsere Hunde diese Jobs, ohne uns und die Aufgabe in Frage zu stellen. Das ist es, was wir an ihnen so schätzen – Hunde stellen unsere Art zu leben nicht in Frage, wir sind ihnen keine Erklärungen schuldig und wir müssen uns nicht rechtfertigen. Und deshalb bezeichnen wir unsere Hunde fälschlicherweise als unsere Freunde.
Der Freund des Menschen ist ein Opportunist
Hund und Mensch passt deshalb so gut zusammen, weil wir beide eine gemeinsame Eigenschaft haben: Beide sind Opportunisten, Egoisten, darauf bedacht, dass wir aus bestimmten Situationen einen Vorteil ziehen können – das schließt nicht aus, dass wir auch Empathie empfinden und nach gewissen Moralvorstellungen leben, unser Überlebenstrieb ist aber nicht die Nächstenliebe, sondern die Eigenliebe.
Es ist sehr gut, ein Opportunist zu sein
Die so genannten wohl erzogenen Hunde gehorchen nicht deshalb, weil sie besonders nett sind oder weil sie ihren Menschen besonders lieben, sondern deshalb, weil sie gelernt haben, dass sich Gehorsam lohnt – irgendwas Positives springt dabei für sie raus. Und genau aus diesem Grund hören Hunde von egoistischen Menschen besser, als Hunde von „Gutmenschen“. Hundehalter, die einfach partout nicht wollen, dass ihr Hund in die Küche geht oder im Bett schläft, die setzen diesen „Befehl“ nur schon deshalb so konsequent und klar für den Hund um, weil es ihnen selbst eben wichtiger ist, das Bett für sich zu haben, als sich darüber Gedanken zu machen, ob der Hund womöglich auch gerne auf einer weichen Matratze schläft. Und was macht der Hund: Er akzeptiert es. Einfach so – die einen ein bisschen schneller, die anderen ein bisschen weniger schnell, aber alle werden es akzeptieren.
Ein Hundehalter, der hingegen vorgibt, alles für seinen Hund zu tun, nur das Beste für seinen Hund will, der übergibt (oder überlässt) dem Hund die Entscheidung, was gut und was schlecht, was akzeptabel und was inakzeptabel ist – und der Hund agiert genau wie der Mensch: Er setzt Regeln, und diejenigen, die ihm besonders wichtig sind, werden konsequent durchgesetzt. Ein Hund, der seinen Halter anknurrt oder sogar schnappt, wenn dieser sich aufs Sofa setzen will, der tut nichts anderes als der Halter, der seinen Hund konsequent und ohne viele Worte einfach vom Sofa schubst. Er zeigt damit, dass ihm diese Regel – nämlich: „Mein Sofa“ – wichtig ist.
Was ernst gemeint ist, wird gemacht
Da Hunde nicht über Worte sondern nur über Körpersprache kommunizieren, messen sie der Körpersprache des Menschen auch deutlich mehr Gewicht bei, als dem gesprochenen Wort. Ein „geh da runter“ wird solange nicht ernst genommen, bis der Mensch das selbst ernst meint – erst dann sind Worte und Körpersprache im Einklang und werden vom Hund als klare Intervention wahrgenommen. Wer „Putzi, komm doch endlich her, Mamma will nach Hause“ ruft und schon weiß, dass Putzi nicht kommt oder wenn es ihm egal ist, der strahlt einfach keine Kompetenz oder Konsequenz aus. Der Hund weiß folglich sehr genau, dass wegbleiben ihm deutlich mehr Vorteile bringt als herkommen.
„Vorteil“ ist ein dehnbarer Begriff
Was nun genau in den Augen eines Hundes ein Vorteil für ihn ist, ist zum Teil rasseabhängig. Für einen Beagle scheint es kaum etwas zu geben, was ihm mehr Vorteile bringt, als jagen zu gehen… einem Labrador muss man schon mit sehr guten Argumenten und sehr ausgefuchsten Konsequenzen kommen, damit ihm ein Bad in einer schmutzigen Pfütze nicht trotz allem verlockender erscheint. Aber vom Prinzip her ticken alle Hunde gleich: Sie tun das, wovon sie sich einen Vorteil versprechen. Oder betriebswirtschaftlich gesprochen: Hunde denken in Opportunitätskosten – „Kosten“ also, die entstehen, wenn vorhandene Möglichkeiten nicht wahrgenommen werden.
Deshalb sind auch „einfache“ Hunde nicht wirklich einfacher – sie empfinden nur schneller einen Vorteil darin, etwas zu tun, das von ihnen gefordert wurde. Man könnte das „sensibler“ nennen, oder „konfikt-vermeidend“. Sie sind aber keineswegs darauf bedacht, ein Freund des Menschen zu sein, sondern darauf, sich selbst möglichst schnell in ihre persönliche „Komfortzone“ zu bringen.
Fazit
Gerade weil der Hund UND der Mensch grundsätzlich opportunistisch, ja egoistisch veranlagt sind passen sie so gut zusammen – und genau aus dem Grund hat auch kein Hund ein Problem damit, konsequent erzogen zu werden und Grenzen aufgezeigt zu bekommen. Im Gegenteil – genau wie der Mensch, wie Kinder und Jugendliche braucht der Hund klare Grenzen, Regeln. Und es gehört zu seiner gesunden Entwicklung und zu seinem Wesen, hin und wieder die Grenzen dieser Regel auzuloten, zu überschreiten und dafür die Konsequenzen tragen zu müssen.
Wenn wir das beachten, dann bekommen wir im Hund zwar immer noch keinen „besten Freund des Menschen“, aber dafür einen Gefährten, der einzigartig ist – wenn wir es nicht beachten, dann übertragen wird dem Hund eine Verantwortung, die er gar nicht wahrnehmen kann.
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