
(Fast) jedes Mal, wenn in einem Leserbrief oder einem Forum der Begriff „Kampfhund“ auftaucht, provoziert dieses Wort einen pauschalen Aufschrei: „Es gibt keine Kampfhunde“, „Kampfhund ist keine Rasse“, „auch aus einem Dackel kann man einen Kampfhund machen“ oder „Kampfhunde sind eher Kampfschmuser“ und so weiter. Sehr gerne wird auch ins Feld geführt, dass – zum Beispiel – Pit Bull Terrier in den Vereinigten Staaten als Social Dogs gehalten werden. Dies sozusagen als Beweis dafür, dass es eben gar keine Kampfhunde gäbe und diese Hunde, auch Listenhunde oder ganz nett: „Listis“ genannt, per se, im Allgemeinen und dieser im Besonderen ganz besonders liebe und sozialverträgliche Hunde seien.
Wer das Wort „Kampfhund“ in den Mund nimmt wird in sozialen Netzwerken auch gerne mal als Rassist beschimpft. Wer das Wort „Herdenschutzhund“ oder „Jagdhund“ benutzt, dem ist das noch nie passiert. Komisch.
Richtig: Kampfhund ist keine Rasse
Selbstverständlich gibt es keine Hunderasse, die „Kampfhund“ heißt. Es gibt auch keine Hunderasse, die „Jagdhund“ heißt. Und keine die „Herdenschutzhund“ heißt. Das heißt aber noch lange nicht, dass es keine Jagdhunde gibt. Die gibt es, und es gibt auch Herdenschutz-, Zug- und Begleithunde. Nur Kampfhunde soll es ausgerechnet gar keine geben? So ganz logisch und ehrlich ist das nicht. Richtig ist: Es gibt Kampfhunde.
Die Systematik der Hunderassen
Die Systematik der Hunderassen (nach FCI) führt 10 Gruppen auf: die Unterscheidung erfolgt nach Typ oder nach Verwendungsgebiet – snicht in letzter Logik korrekt: Hütehunde und Treibhunde, Pinscher und Schnauzer, Terrier, Dachshunde, Spitze und Hunde vom Urtyp, Laufhunde und Schweißhunde, Vorstehhunde, Apportier- und Stöberhunde, Gesellschafts- und Begleithunde sowie Windhunde. Nach FCI würde es also nicht einmal Jagdhunde geben. Kampfhunde schon gar nicht, auch keine Herdenschutzhunde (das wären dann Berghunde, Gruppe 2,Sektion 2.2).
Hunde, die wir im Alltag „Jagdhunde“ nennen, finden sich also in verschiedenen FCI-Gruppen, und auch im Alltag überschneidet sich die Benennung: So werden Windhunde selten als Jagdhunde bezeichnet, sind es faktisch aber.
Wann ist ein Jagdhund ein Jagdhund?
Die Frage ist nur auf den ersten Blick unsinnig: Wie viele Jagdhunde werden heute noch zur Jagd eingesetzt? Eher wenige. Und dennoch bleibt auch ein übergewichtiger, hüftkranker und halbdebiler Labrador – und von denen gibt es einige – ein Jagdhund. Ein untauglicher möglicherweise, aber immer noch ein Jagdhund mit einem gerüttelt Maß an Apportierfreudigkeit und – viele Besitzer können ein Lied davon singen – Jagdtrieb. Ein Pudel übrigens auch und auch ein Dackel.
Selbstredend ist nicht jeder Jagdhund ein jagender Hund. Aber all diese Rassen wurden ursprünglich darauf hin gezüchtet, zumindest theoretisch für die Jagd in unterschiedlichen Formen tauglich zu sein: Vorstehen, Apportieren, nach Sicht jagen, für die Nachsuche: alles jagdliche Einsatzgebiete die sich stark unterscheiden, aber doch unter dem Oberbegriff Jagd zusammengefasst werden.
Ein Jagdhund muss also weder jagen wollen noch jagen können um unter den Begriff „Jagdhund“ zu fallen – er muss nur einer Rasse angehören, die dafür gezüchtet wurde. Dass bei der züchterischen Selektion über zahllose Generationen eine Grundveranlagung zu jagdlichem Verhalten in all diesen Rassen und ihren übrig geblieben ist, wird kaum ein Mensch bestreiten. Ein „Jagdhund“ ist in den allermeisten Fällen einfacher jagdlich zu motivieren als ein Hütehund.
Für Herdenschutzhunde gilt das Gleiche
Auch Herdenschutzhunde haben besondere Verhaltensweisen „in sich“: Sie schützen. Am liebsten eine Herde, ersatzweise eine Familie – und wer sich nicht adäquat um einen Herdenschutzhund kümmert und ihn veranlagungsgemäß beschäftigt und auslastet, der hat – mit etwas Pech – einen Hund, der irgendetwas beschützt. Und verteidigt. Und wenn es ein Rasenmäher ist. Dass verschiedene Hundetypen auch unterschiedliche Bedürfnisse haben, wissen mittlerweile viele Hundehalter. Nicht umsonst sind die Foren der sozialen Netzwerke voll mit Fragen wie: „Wie beschäftige ich einen Border-Collie“, „Wie halte ich einen Kangal artgerecht?“ etc. – Nur: „Wie werde ich einem Pit-Bull-Terrier gerecht?“ hat noch keiner gefragt… auch wieder komisch.
Was ist mit Kampfhunden?
Wie die Begriffe Jagdhund, Herdenschutzhund, Windhund etc. ist auch der Begriff „Kampfhund“ nicht an eine Rasse gekoppelt, sondern an einen Verwendungszweck. Es ist nun mal nicht abzustreiten, dass Hunde für Kämpfe gezüchtet wurden und – nicht nur im Ausland – noch immer gezüchtet werden. Im antiken Rom wurden Hunde zum Kampf gegen Bären, Löwen und Gladiatoren eingesetzt, im 18. Und 19. Jahrhundert hatten Hundekämpfe ihre Blütezeit: Hunde wurden gegen Dachse, Wölfe, Wildschweine, Bären und Bullen eingesetzt – und auch gegen andere Hunde. Sehr oft wurden dafür Bulldoggen eingesetzt, allerdings hatten diese Hunde in den Augen der Menschen einen entscheidenden „Nachteil“ – es waren nämlich gar keine blutgierigen Monster, sie verbissen sich schnell und nicht sehr blutig in ihren Gegner und rangen ihn zu Boden.
Um etwas mehr Nervenkitzel zu erhalten wurden Terrier eingekreuzt: ihre Wendigkeit und Ausdauer führte zu blutigeren und „attraktiveren“ Kämpfen – auch untereinander. Der Bullterrier entstand. Diese Hunde zeichneten sich in den Augen ihrer Besitzer durch Mut, Unerschrockenheit, Schmerzunempfindlichkeit und Ausdauer aus – und jetzt führten die Hundekämpfe wirklich nicht selten zum Tod eines Kontrahenten. Ein lukratives „Hobby“, denn im Ring (englisch: Pit – daher auch Pit Bull-Terrier) konnte ein siegreicher Hund seinem Besitzer locker mal ein Monatsgehalt einbringen.
So aggressiv diese Hunde gegenüber ihresgleichen oder anderen Tieren sein mussten, gegenüber Menschen mussten sie sich aggressionsfrei verhalten, denn immer waren auch Schiedsrichter mit im Ring, kämpfende Hunde wurden hochgehoben und es wäre unklug und lebensverkürzend gewesen, hätten sie in dieser Situation nach dem Schiedsrichter oder dem Besitzer geschnappt.
Der Begriff „Kampfhund“ ist also keineswegs aus der Luft gegriffen, er reflektiert aber nicht Rassen sondern den Verwendungszweck. Das ist kein großer Unterschied zu Jagdhunden. In beiden Bereichen werden die Hunde heute deutlich weniger eingesetzt als im 18. Und 19. Jahrhundert – die Kampfhunde noch weniger als die Jagdhunde und zumindest hierzulande ausschließlich im illegalen Umfeld (was es nicht besser macht).
Es gibt Kampfhunde
Wer sich auf den Standpunkt stellt, es gäbe keine Kampfhunde, weil es keine solche Rasse gäbe, der müsste konsequenterweise auch die Begriffe Jagdhund, Herdenschutzhund etc. verneinen – das macht aber keinen Sinn und ist auch falsch. Es gibt Hunderassen, die zur Jagd gezüchtet wurden – das sind Jagdhunde, und es gibt Hunde, zu für Kämpfe welcher Art auch immer gezüchtet wurden – das sind Kampfhunde. Das ist ja nicht schlimm. Schlimm und traurig ist es allerdings, dass „Kampfhunde“ auf Grund ihres Wesens offenbar einen besonderen Reiz auf eine bestimmte Art von Menschen ausüben: Streit suchende, grenzdebile Deppen mit unterentwickelten Intellekt und behandlungswürdigen mentalen und charakterlichen Defiziten brauchen offenbar eher einen Pit-Bull-Terrier, jedenfalls sieht man sie ganz selten mit einem wuschelingen Hund Typ „Boomer“ aus dem Tierheim. Und in den Händen dieser Deppen entwickelt ein Pit-Bull (oder ein vergleichbarer Hund) eben doch ein anderes, höheres Gefahrenpotenzial als ein Dackel, ein Labrador oder ein Viszla.
ist ein kampfhund ein böser hund?
Genauso wenig wie ein Jagdhund immer ein Wilderer ist, genauso wenig wie ein Schäferhund einfach mal so ein guter Hütehund ist, genauso wenig ist ein Kampfhund per se ein Kämpfer, der sich auf alles stürzt, was ihm vor den Fang kommt. Das anzunehmen ist absoluter Blödsinn. Genauso ein ausgemachter Blödsinn allerdings ist es, einer Rasse, die ursprünglich für einen bestimmten Einsatzzweck gezüchtet wurde, die grundsätzliche Veranlagung zu eben dieser Fähigkeit abzusprechen. Wer einen Windhund (Sichtjäger) hat, der wird ein Lied davon singen können. Auch bei guter und konsequenter Erziehung bleibt es ein Sichtjäger und der Besitzer tut gut daran, sich dessen immer bewusst zu sein – sonst ist der Hund schnell mal weg. Wer einen Herdenschutzhund hat, der weiß (hoffentlich) um die besonderen Anforderungen dieser Hunde und wer einen Jagdhund hat der weiß, dass die „jagdlichen Gene“ im Hund drinstecken. Und zwar tief. Warum also sollte es ausgerechnet bei Kampfhunden anders sein? Die angezüchtete Veranlagung und wohl auch das Talent, zu kämpfen (und zu gewinnen) mit all ihren Ausprägungen ist bei den so genannten Kampfhunderassen durchaus stärker vorhanden als bei anderen Hunden. Was daraus wird, liegt zum großen Teil beim Halter – an dieser Stelle sei angefügt, dass es sich bei den meisten Hunden, die Menschen (meistens Kinder) schwer verletzt oder gar getötet hatten um „Wiederholungstäter“ handelte. Um Hunde also, die bereits auffällig geworden waren – genau so wie ihre Halter – und die oftmals mit Leinen- und Maulkorbzwang belegt wurden – was aber nichts hilft, wenn sich keiner dran hält und es auch keiner kontrolliert.
kann jeder hund zum kampfhund werden?
Nein. Es kann auch nicht jeder Hund zum Jagdhund werden oder zum Herdenschutzhund. Aber jeder Hund kann „böse“ gemacht werden – nur ist es halt einfach ein Unterschied, ob ein Dackel zubeißt oder ein großer Hund. Und die Schäden sind dann größer, wenn ein Hund nicht nur zubeißt sondern sich in einen anderen verbeißt. Und das Verbeißen nun mal im Dispositiv eines „Kampfhundes“ eher vorgesehen ist, als in dem eines Schäferhundes, sind die Schäden, die durch den Angriff eines „Kampfhundes“ entstehen oftmals gravierender. Eines darf man allerdings auch nicht aus den Augen verlieren: Wenn über die Gefährlichkeit von Kampfhunden gesprochen wird, ist fast immer die Gefährlichkeit gegenüber Menschen gemeint. Die „Kampfbereitschaft“ unter Hunden – Rüdenbesitzer wissen was gemeint ist – fällt aus dieser Betrachtungsweise raus. Diese ist, auch das ein Ergebnis der Zuchtbemühungen, bei „Kampfhunden“ tendenziell größer als bei anderen.
Man sollte zur Herkunft seines Hundes stehen
Es wirkt lächerlich und unglaubwürdig, wenn ein Hundebesitzer das genetische Erbe seines Hundes verleugnet: „Labradore werden als Blindenhund eingesetzt, das zeigt wie menschenfreundlich sie sind“ ist eine genauso verharmlosende Aussage wie „Pit Bull Terrier sind in den USA Social Dogs, also müssen es total liebe Hunde sein“. Beide Aussagen helfen nicht weiter sondern sind in ihrer Aussage genau so extrem und falsch wie „Kampfhunde sind böse“. Verharmlosung als Gegenmittel zur Diskriminierung hat noch keinem geholfen. Wer also verhindern möchte, dass „Kamphunde“ stigmatisiert werden, der sollte zuallererst aufhören, den Begriff „Kampfhund“ zu verniedlichen („Kampfschmuser“, „Lieblings-Listi“, etc.) oder in Abrede zu stellen, dass es diesen Begriff überhaupt gibt.
Kampfhunde und Rasselisten: einfache Lösungen sind selten gut
Dass Kampfunde in vielen Gebieten auf den Rasselisten gelandet sind – zusammen mit anderen Hunden – spricht weniger für die Gefahr, die von diesen Listenhunden ausgeht, als vielmehr für das Bedürfnis der Politiker, für komplexe Probleme einfache Lösungen anzubieten. Es gibt kaum mehr Fachleute, die hinter Rasselisten einen Sinn sehen. Es gibt kaum eine (Beiß)Statistik, welche eine Rasseliste gerechtfertigt. Es gibt einige Hunderassen die – auch unter Berücksichtigung der Häufigkeit – deutlich öfter negativ auffallen als Kampfhunde. Labradore zum Beispiel, oder Golden Retriever. Deutsche Schäferhunde sowieso. Fazit: Rasselisten sind Quatsch. Aber das heißt noch lange nicht, dass es deswegen keine Kampfhunde gibt, dass diese Hunde für ein gewisses risikoreiches Verhalten eine Prädisposition mitbringen und deshalb besonders sorgsam sozialisiert, erzogen, gehalten und geführt werden sollten. Und von gewissen Menschentypen gar nicht. Das gilt für viele Hunde, aber für „Kampfhunde“ eben in besonderem Maße.
Und man soll ruhig dazu stehen, dass man einen Kampfhund hat. Einen Hund einer Rasse, die ursprünglich mal für Kämpfe gezüchtet worden war.
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