
In unserer kleinen Ortschaft gibt es immer öfter diese netten, kleinen, bunten Hunde.
Niedlich sind die. Lustige Kerlchen, oft in Kombination mit Kinderwagen und Kindern auf dem Weg zum Kindergarten an Mamas Hand oder in Begleitung von Kindern auf Laufrädern anzutreffen. Auf den ersten Blick doch sehr harmonisch. Mann, das ist doch mal echte Familienidylle!
Auf den zweiten Blick sieht man aus Mamas Rucksack die Schleppleine leuchten, die Leckerli-Tasche baumelt am Gürtel und die Augenringe unter Mutters müden Augen zeugen auch von mehr, als nur Idylle. Die Gespräche auf der Wiese am Waldrand tendieren zu:
„Und, wie läufts?“
„Gestern nur 1 Stunde, wir sind stolz. Vor zwei Tagen waren es noch 3 Stunden.“
„Wow, es geht bergauf.“
„Jepp, es muss…“
Das Gespräch dreht sich nicht um das Alleinesein, sondern um die Wiedereinfangzeit. Nur so zum allgemeinen Verständnis.
Was macht die Menschen so beagleverrückt?
Sie nehmen so viel in Kauf: Unverhoffter Tapetenwechsel, Vorratskammer mit Schloss, Toilettenpapier auf der Fensterbank, Pipeline zum Winzer für die vielen Nachbarschaftsbeschwichtigungsgeschenke wegen der umdekorierten Gärten und nicht ihr Versprechen haltender Schallschutzwände, Riesenersatzteillager an Kinderspielzeug…
Was macht den Beagle aus?
Laut Standard ist der Beagle ein kleiner Jagdhund. Etwa 33-40cm Stockmaß mit einem Gewicht von 10-18kg (wenn man nicht zu viel zusteckt, weil der Beagle immer hungrig ist, denn dann erreicht er auch schon mal traurige 20-28kg), quadratischer, muskulöser Körperbau mit starken Knochen, ohne grob zu wirken. Er hat Schlappohren und eine vorwitzig aufrecht in die Luft getragene Rute.
Es sind alle Houndfarben außer Leberbraun erlaubt. Dazu gehören dreifarbig schwarz-braun-weiß (Tricolor), dachsfarbig gefleckt (Badger-pied), hasenfarbig gefleckt (Hare-pied), zitronengelb gefleckt (Lemon-pied), Zitronengelb (Lemon) und weiß, rot-weiß, braun-weiß und schwarz-weiß. Außer weiß dürfen alle Färbungen getüpfelt sein (sog. Mottles).
Die Rutenspitze ist stets weiß, was zum Auffinden im hohen Gras durchaus sinnvoll ist.
Zu der netten Erscheinung gehören braune Augen und kurzes, wetterfestes Fell. In der Regel werden sie 14-16 Jahre alt und älter. Zum Glück! 6 Jahre Ärger darf ruhig mit langem Leben belohnt werden.
Vom Wesen her soll er freundlich sein, aber nie aggressiv oder scharf. Kindern gegenüber ist er vergleichsweise sehr nachsichtig. Ein lustiger Gute-Laune-Hund, der Familienanschluss und Sozialkontakte braucht. Seine Leidenschaft in der Nasenarbeit ist bis heute fest verankert.
Eine sehr alte Rasse
Der Beagle ist eine sehr alte Rasse mit langer, komplizierter Geschichte. Ich will nicht zu arg mit Details langweilen, es sei nur soviel gesagt, dass er seinen Namen vom englischen Wort „beag= klein“ erhalten hat. Abgeleitet vom französischen Wort „beguele“, was soviel heißt wie „weit offene Kehle/schreit“. Im Fremdwörterlexikon steht sogar „kleine Stöbernase“ dahinter.
Anfang 1500 tauchte der Name zum ersten Mal auf Wandteppichen und Jagdbeschreibungen aus England auf. 1615 wurde der „Little Beagle“ zuerst in einer englischen Rassebeschreibung von L.R. Jackson alisas Gervase Markham erwähnt. Er beschrieb den kleinen zielstrebigen Hund als ausdauernden Jagdbegleiter, der begierig der Spur folgte, aber das Wild nur müde machte, statt es zu schlagen. Praktischerweise konnte er in der Satteltasche der Jäger transportiert werden. Aber erst 1890 fand der kleine Jagdhund die Anerkennung des Kennelclub Großbritanniens.
Der Beagle ist ein Laufhund aus der Familie der Bracken, der als Meutehund in der Stöber- und Schweißarbeit zur Hasenjagd eingesetzt wird. Für die urprüngliche Parforcejagd, die Hetzjagd zu Pferde, ist der kleine Beagle nicht ausgelegt. Er wurde auch als Jagdhund des kleinen Mannes bezeichnet, weil er zu Fuß begleietet wurde. Seine Aufgabe liegt noch heute in der Spuraufnahme und dieser mit tiefer Nase und Spurlaut zu folgen, das Wild aber nur zu ermüden, nicht zu schlagen.
Allerdings ist ein Beagle in der Lage, krankes Rehwild einzuholen und zu schlagen, wenn er in der Nachsuche geschult ist. Seine Größe und Arbeitsweise lassen dies an größerem Wild nicht möglich werden. Selten wurden sie auch beim Stellen von größerem Wild eingesetzt. Der Vorteil lag hierbei in der äußerst geringen Verletzungsrate, da sie das Wild nur ermüdeten, bis es von den Jägern eingeholt wurde. Seine unbändige Arbeitfreude, Beharrlichkeit und Findigkeit, Hindernisse zu umgehen, machten ihn interessant. Durch die Jagd in der Meute ist der Beagle nur mit viel Sozialkontakt glücklich.
Der Beagle als Versuchshund
Wegen seiner großen Anpassungsfähigkeit, wurde er leider auch für die Versuchslabore interessant. Daraus entstanden verschiedene Zuchtlinien, man mag es nicht glauben, aber passend zu den Laborboxen: Sie heißen Pocket- oder Marshallbeagle, Kerrybeagle und Harlandbeagle, haben unterschiedliche Größen und ihre Namen von den Laboren oder Vermehrern. Keiner von ihnen ist reinrassig, da anders nicht mit den Größen experimentiert werden konnte.
Der Beagle im Alltag
Schauen wir uns doch mal an, was das für den Alltag unserer Mutter mit kleinen Kindern bedeutet: Der Beagle gibt gerne Laut, der berühmte Beagle-Ton. Passend zur Mittagsruhe der Kinder kommt der Postbote und wird schon drei Straßen vorher mit sonorem Ton fröhlich angekündigt….Mittagsschlaf erledigt.
Der Termin beim Kindergartenbasteln muss ohne Hund statt finden, alleine sein ist nicht im Plan des Meutehundes vorgesehen. Wollten Sie nicht sowieso ein neues Sofa haben? Bestens, das Alte ist bereits freundlicherweise entsorgungsfertig zerlegt.
Das Mittagessen liegt zubereitet auf dem Herd und eines der Kinder will jetzt für die erfolgreiche Aktion auf dem Töpfchen gelobt werden. Sie wollten schon immer mal den Pizzamann aus dem Dorfkern ausprobieren? Perfekt, das ist die Gelegenheit, wenn man die saubergeleckten Töpfe betrachten. Wird auch nicht zu teuer, Hundefutter ist für die nächsten drei Tage sowieso eingespart.
Der Spaziergang mit einem Nasenhund…
„Den Hund für Blickkontakt loben“, steht in so manchem Erziehungsbuch. Nur blöd, wenn der Hund diesen nicht sucht und nicht braucht. Wozu auch, hatte er doch seit Jahrhunderten keinen Blickkontakt zum Menschen nötig. Der kam schon hinterher, der Beagle war ja laut genug.
Freilauf, tja, das ist so eine Sache: „Gehen Sie schnell in die entgegengesetzte Richtung weg“, sagt so mancher gutgelaunte Trainer. Sagt der Beagle auch und saust schon mal der Spur nach mit hellem Geläut, schließlich scheint sein Mensch ja die falsche Richtung eingeschlagen zu haben. Nun ist er weg, ist ja schade, aber der kommt schon wieder, wenn er Hunger hat. Warum sollte er?
Der Beagle ist ein extrem selbstständiger Jäger durchaus mit der Fähigkeit zur Selbstversorgung. Hasen, Wiesel, Fasane oder Kaninchen schmecken herrlich, BARF naturell, frischer geht nicht. Aber keine Sorge, er ist schnell im Ort bekannt, wie ein bunter Hund. Menschenfreundlich ist er, ein netter Hundefreund bringt ihn Dank Chipregistrierung zurück, Boomerangservice und neue Bekanntschaft inklusive.
Ich glaube, der Beagle ist ein großartiger Hund. Er ist lustig, nie langweilig, ein echter Kumpel, geht mit durch dick und dünn, liebt Menschen, ist robust, aufgeweckt und spritzig. Der Beagle lehrt uns flexibles Denken – weil er dem Problem des An-den-Biomülleimer-rankommens mit 50 verschiedenen Lösungsansätzen begegnet. Er lehrt uns vorausschauendes Denken – weil Besuch in fremden Wohnungen Katzenfutterorgien, Kinderbettenprobeliegen und von rechts nach links gedrehte Vorratskammern beinhalten könnte. Der Beagle lehrt uns Geduld – am Feldrand… schon wieder und er lehrt uns Diplomatie – weil wir immer noch das Gespräch mit dem Nachbarn suchen, wenn dessen Rosengarten nicht mehr ganz dem Originaldesign von heute morgen entspricht. Der Beagle lehrt uns alles über die Installation von Zäunen – weil er wesentlich mehr Ideen im Kopf ausarbeitet, wie man sie umgeht, als das ungeübte menschliche Gehirn zu erfassen vermag.
Er lehrt uns Autodidaktik – weil wir aus der x-ten Hundeschule rausfliegen oder verlacht mit hängenden Schultern den Platz verlassen und so den Weg zu Büchern, Workshops und Lehrvideos finden. Er lehrt uns Wachsamkeit – weil die Schleppleine eine brennende Spur der Erinnerung in unser Fußgelenk gezogen hat, dass man einen Beagle stets im Auge behalten sollte… wenn er rennt, dann rennt er. Er lehrt uns Demut – weil noch so viel Erfahrung, Wissen und Nervenstärke uns ob der unglaublichen Ideen eines Beagles, an sein Ziel zu kommen, als Anfänger entlarven.
Für wen eignet sich ein Beagle?
Menschen mit Zeit, mit dem Herz am rechten Fleck, für Menschen mit Verstand, Nervenstärke und nicht zuletzt für Menschen mit viel Humor.
Wenn also Mutti die Entscheidung zu fällen hat, Kind im Kinderwagen zu lassen, Bremse rein und flux dem Beaglechen übers Feld nachzusetzen, dann passt das nicht; Wenn Mutti die Entscheidung zu treffen hat, ob sie den Beagle davon abhalten soll, auf die Arbeitsplatte zwecks Vortesten des Mittagessens zu springen oder ihr Kind davor zu bewahren, mit der Steckdose physikalische Erst-Experimente zu starten, dann passt das nicht. Der Schutz der Kinder geht vor. Immer!
Also bitte: Lasst die Hände vom Beagle mit Kind im Wagen und Kind an der Hand. Sind alle Beteiligten aus dem Gröbsten raus, also über 10 Jahre alt, dann und nur dann, wenn noch genügend Nerven übrig sind, dann sage ich willkommen in der Fangemeinde der Beagleliebhaber.
Ich weiß, wovon ich rede. Meine Beaglehündin ist mit einem Jahr in meinen Haushalt mit 4jährigem Kind getolpert. Dennoch möchten wir keinen Tag missen, wir haben viel gelernt…
Bild: BIgstockphoto