Bestehunde.de führte ein Interview mit dem Förster und Sprecher der Berliner Forsten, Marc Franusch. Thema war das Spannungsfeld Hundeauslaufgebiet – Wald – Hunde – Erholungssuchende.
Bestehunde: Was sind eigentlich die generellen Aufgaben der Berliner Forsten?
Marc Franusch: Ganz zuoberst auf unserer Liste steht das so genannte Wald-Management. Die Berliner Wälder haben ja unterschiedliche Aufgaben: Sie dienen einerseits der Erholung aller Berliner, sie sind gleichzeitig Lieferant fast des ganzen Berliner Trinkwassers, die Wälder sind Heimat einer unglaublichen Pflanzen- und Tiervielfalt – Berlin ist eines der artenreichsten Gebiete Deutschlands – das Berliner Klima wird ganz maßgeblich von den ausgedehnten Grünflächen bestimmt. Die Berliner Forsten haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Wald auch in Zukunft all diese Aufgaben erfüllen kann. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass wir nicht bestimmte Aufgabenbereiche an bestimmte Waldbereiche koppeln können: Wir können also nicht sagen: ein bestimmter Waldbereich ist für Trinkwasser zuständig, ein anderer für die Artenvielfalt und wieder ein anderes Waldgebiet bietet Erholung. Der Wald hat als Ganzes immer alle Aufgaben zu erfüllen.
Bestehunde: Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptprobleme, die Sie mit Hunden bzw. mit Hundehaltern haben?
Marc Franusch: Wir haben verschiedene Problembereiche – aber eines davon ist sind freilaufende Hunde außerhalb vom Hundeauslaufgebiet, bzw. der Hundeauslaufgebiete. Wir haben ja bewusst – und das seit 80 Jahren – sehr ausgedehnte Hundeauslaufgebiete, insgesamt 12. Das natürlich auch mit dem Hintergrund, dass man eben genau da den Hund laufen lassen kann und ihn in den anderen Waldgebieten an der Leine führt – das hat auch, aber nicht nur mit dem Schutz von Fauna und Flora zu tun. Es ist aber auch ein Thema für Menschen, die mit freilaufenden Hunden Probleme haben – wie gesagt, der Wald soll für alle Erholung bieten und ich würde mir hier von beiden Seiten, von Hundehaltern wie von Nichthundehaltern etwas mehr Verständnis und Rücksicht wünschen.
Bestehunde: Die Leinenpflicht besteht also nicht vorwiegend zum Schutz von Fauna und Flora?
Marc Franusch: Wie gesagt – grundsätzlich gilt aus den oben erwähnten Gründen, nämlich dem umfassenden Schutz des Lebensraumes Wald die Leinenpflicht. In Berlin haben wir eine, aus unserer Sicht, sehr hundefreundliche Regelung mit vielen und einem sehr großen Hundeauslaufgebiet. Da wäre es natürlich schön, wenn sich die Hundehalter auch daran halten würden.
Bestehunde: Wie gehen Sie generell mit Verstößen um?
Marc Franusch: Grundsätzlich droht jeweils ein Verwarnungs- oder Bußgeld. Allerdings wird jeder Hundehalter und jede Hundehalterin erst angesprochen und aufgefordert, den Hund anzuleinen – in den allermeisten Fällen sehr freundlich, da haben unsere Mitarbeiter zum Teil wirklich eine Engelsgeduld wenn man bedenkt, dass sie zum Teil Dutzende Male an einem Tag vor die gleiche Situation gestellt werden. Und dann hängt es halt auch vom Hundehalter ab – bei Einsicht und Verständnis bleibt es meistens bei der Ermahnung, aber bei Beleidigungen reagieren wir natürlich auch anders.
Wir setzen generell auf Einsicht – wir können ja auch nicht jeden Quadratmeter Wald kontrollieren. Deshalb hilft es uns und allen anderen im Endeffekt am meisten, wenn sich möglichst viele Hundehalter an die Regeln halten und ihren Hund nur im Hundeauslaufgebiet frei laufen lassen.
Allerdings muss ich hier ein wenig relativieren – auch wenn wir heute explizit über Hunde sprechen – auch wenn wir mit Hunden bzw. den Haltern hin und wieder unsere Probleme haben, so ist das nur ein Bereich von vielen – und die meisten haben gar nichts mit Hunden zu tun – zum Beispiel die Vermüllung des Waldes.
Bestehunde: Was darf ein Hund im Hundeauslaufgebiet eigentlich und was nicht?
Marc Franusch: Das ist auch ein großes Missverständnis: Die Leute glauben, der Hund darf alles. Darf er aber nicht. Er und sein Halter müssen sich benehmen wie sonst auch: rücksichtsvoll, nichts kaputt machen, niemanden belästigen – aber der Hund darf dabei frei laufen, solange er sich im Einwirkungsbereich des Halters befindet.
Und auch hier: Das gilt keineswegs nur für Hunde. Jeder muss – oder sollte – sich im Wald so benehmen, dass er keine anderen belästigt und keine Schäden hinterlässt nichts kaputt macht: Radfahrer müssen auf Fußgänger Rücksicht nehmen, man darf im Wald kein Feuer anzünden oder rauchen, man darf keinen Müll wegschmeißen, keine Pflanzen ausgraben etc. Dass das nicht immer funktioniert wissen wir, aber wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sich Einsicht und Vernunft mehr und mehr durchsetzen.
Bestehunde: Stichwort Dogwalker: Die Dogwalker haben sich ja jetzt organisiert um die Qualität zu steigern und die schwarzen Schafe ausgrenzen zu können. Haben Sie Probleme mit Dogwalkern?
Marc Franusch: Manchmal – man muss dazu sagen, dass Dogwalker ja den Wald nicht primär zum ausgewiesenen Erholungszweck nutzen sondern ihr Geschäftsmodell im Berliner Naherholungsgebiet umsetzen. Aus diesem Grund sind wir auch der Meinung, dass für diese Nutzung ein Entgelt zu bezahlen ist. Dieses Entgelt ist mit einer Bewilligung verknüpft und das gibt uns die Möglichkeit, ein wenig die Spreu vom Weizen zu trennen und einen Überblick zu behalten, wer denn im Wald als Dogwalker arbeitet.
Bestehunde: Ich habe an einem Tag sicher ein halbes Dutzend Dogwalker gesehen, die diesen Namen nicht verdienen, die herkommen – ohne Sinn und Verstand mit Hunden laufen gehen und die seriösen Dogwalker in Verruf bringen. Warum kontrollieren die Berliner Forsten nicht, wer sich während der Woche um 11 Uhr an den bekannten Orten einfindet? So eine Kontrolle würde sich in Windeseile herumsprechen.
Marc Franusch: Nun, wir sind nicht die Gewerbeaufsicht – da sind dann zusätzlich zu unseren Kontrollen im Wald andere Instanzen auch gefragt. Aber ich möchte hier auch an die Verantwortung der seriösen, kompetenten und verantwortungsvollen Dogwalkern appellieren: Sie kennen ja die schwarzen Schafe und können und sollten entsprechend entgegenwirken. Es ist auch in ihrem Interesse, gegen die schlechten Dogwalker vorzugehen.
Bestehunde: Na ja – das sehe ich anders. Was der BHD nun macht, geht ja genau in die Richtung, aber Sie können ja nun auch nicht die Kontrollverantwortung einfach an die Dogwalker zurückspielen. Sie – bzw. die Gewerbeaufsicht – haben ja auch eine Kontrollpflicht, deshalb heißt es ja „Aufsicht“. Aus meiner Sicht ist das ein bisschen arg kurz gesprungen, wenn man die Dogwalker zu Hilfssheriffs und zu Denunzianten erziehen will.
Marc Franusch: Nein, das ja nicht. Wir kontrollieren ja auch stichprobenartig. Es geht mir auch nicht darum, die Dogwalker zum verlängerten Arm der Staatsanwaltschaft zu machen – insbesondere da es sich hier ja auch nicht vorrangig um einen Gesetzesverstoß handelt sondern um die Einhaltung bestimmter Regeln, einen Art Verhaltenskodex. Heißt auch: Wir, bzw. die Gewerbeaufsicht können zwar kontrollieren, ob jemand gewerblich Hunde ausführen darf – wir können aber nicht kontrollieren, ob das professionell und kompetent geschieht. Einen Verhaltenskodex kann man nur schwer durch Ordnungsmaßnahmen nicht gesetzlich durchsetzen.
Tatsache ist, es gibt Konfliktpotenzial mit den Dogwalkern – und da wohl vor allem mit den so genannten schwarzen Schafen
Bestehunde: Wie groß sind eigentlich die Probleme zwischen Hunden und Wildschweinen?
Marc Franusch: Tatsächlich sind die Probleme geringer als man gemeinhin annimmt – die Wildschweine in Berlin sind ziemlich entspannt, es sei denn, es handelt sich um eine Bache mit Frischlingen. Es kommt relativ selten zu Konfrontationen zwischen den beiden – und wenn, dann zieht sowieso zu 90 Prozent der Hund den Kürzeren. Das soll nun allerdings nicht heißen, dass man den Hund einfach auf die Schweine loslassen darf – man muss klar sagen: Wenn ein Hund jagt, dann handelt es sich um Wilderei und die wird entsprechend hart geahndet.
Bestehunde: Ist es denn nicht natürlich, wenn ein Hund ein Schwein oder Reh jagt?
Marc Franusch: Dazu zwei Dinge: Erstens – natürlich wäre es, wenn frei lebende Hunde sich ihr Futter durch Jagd erarbeiten müssten. Diese Hunde würden dann ein Schwein aber auch fressen und ihm nicht nur aus lauter Spaß ein paar Stücke aus dem Leib reißen und es dann weiter rennen lassen. Zweitens verweise ich jetzt hier mal gar nicht auf das Jagdgesetz. In diesem Fall spielt auch das Tierschutzgesetz eine Rolle. Hier sind wichtige und vernünftige Regeln für den Umgang mit Tieren – auch mit Wildtieren – formuliert, hinter deren ethischen Anspruch wir nicht zurücktreten sollten. Gerade Hundehalter, die sich Familienhunde halten sollten sich bewusst sein, dass ein hetzender und jagender Familienhund dies aus Freude tut und nicht, weil er im natürlichen Umfeld um sein eigenes Überleben kämpft.
Dabei muss man noch eines sagen: Auch wenn es sich hart anhört – es geht im Zusammenhang mit dem Hetzen von Wildtieren in den wenigsten Fällen darum, dass ein gerissenes Wildschwein seiner Rotte aufs Schmerzlichste fehlt, auch wenn das in Form einer Bache mit Frischlingen natürlich so ist und fast zwingend oft den Hungertod der Jungtiere zur Folge hat. Viel schwerwiegender ist tatsächlich, dass sich – gerade in der Winterzeit – die gejagten Tiere in großer Gefahr befinden, weil sie jede Flucht Stress bedeutet und sehr viel Energie kostet, die dann zum Überleben fehlt. Das gilt jetzt etwas weniger für Wildschweine aber umso mehr für Rehe, die es – außerhalb des Hundeauslaufgebiets Grunewald – ja auch gibt.
Bestehunde: Nochmal: Solange wir Millionen von Masthähnchen quälen und Millionen von Schweinen ist es doch dagegen geradezu von stupender Natürlichkeit, wenn ein Hund mal ein Wildschwein reißt?
Marc Franusch: Ich kann mit der Art von Argumentation gar nichts anfangen – ich finde es bedenklich, wenn man sagt: Solange es noch was Schlimmeres gibt, als das, was ich tue bin ich nicht bereit das zu lassen.
Bestehunde: Ein jagender Hund darf ja per Gesetz erschossen werden – wie häufig kommt das in Berlin vor?
Marc Franusch: Das kommt – etwas verallgemeinert gesagt – gar nicht vor. Das hängt aber auch damit zusammen, dass diese Situation im Stadtgebiet selten vorkommt. Gerade das Rotwild hat dem Nutzungsdruck in den Hundeauslaufgebieten nicht standgehalten und ist abgewandert, das Schwarzwild (Wildschweine) dagegen ist anpassungsfähig und wehrhaft. Tatsächlich hatten wir vor Jahren einen Fall in dem auf einen wildernden Hund geschossen wurde – mit Schrot, der Hund hat es überlebt. Im Gegensatz zu einem Stück Rotwild, das er zuvor im eingezäunten Naturschutzgebiet verletzt hatte.
Die Gefahr für Hunde geht tatsächlich nicht von den Jägern aus. Wer seinen Hund nicht unter Kontrolle hat, der hat ein unendlich höheres Risiko, dass sein Tier von einem Wildschwein verletzt oder getötet wird oder vor ein Auto läuft als dass er von einem Jäger angeschossen wird.
Bestehunde: Glauben Sie, dass im Falle eines Wildschweinangriffes auf einen Hund der Hundehalter auch mit Schulterzucken und dem Hinweis auf das natürliche Verhalten der Wildsau reagiert?
Marc Franusch: (lacht) Im Gegenteil – uns wurde auch schon vorgeworfen, dass wir nicht alle Wildschweine aus dem im Hundeauslaufgebiet Grunewald vertreiben würden – oder sie erschießen.
Bestehunde: Gibt es eigentlich Aujeszky-Virus bei Wildschweinen?
Marc Franusch: Das Aujeszky-Virus gibt es tatsächlich – allerdings kann ich nicht sagen, in welchem Umfang – das müssten die Veterinär-Behörden genauer wissen. (Anm.: Wir klären das ab)
Bestehunde: Ich habe gehört, es gäbe Bestrebungen, die Seeufer aus dem Hundeauslaufgebiet Grunewald auszuscheiden?
Marc Franusch: Nein – gibt es nicht. Solche Themen kommen mit schöner Regelmäßigkeit zur Sprache, genau wie das Gegenteil auch, die Ausweitung der Hundeauslaufgebiete. Umso wichtiger ist es, einen ausgewogenen und respektvollen Umgang aller Waldbenutzer untereinander zu haben – damit das einzigartige Angebot ausgedehnter Hundeauslaufgebiete auf Dauer Bestand haben kann.
Bestehunde: Wenn Sie einen Wunsch an die Hundehalter haben – welcher wäre das?
Marc Franusch: Der Wunsch hat gar nichts mit den Hundehaltern zu tun, sondern gilt generell für alle: Für Fußgänger, Reiter, Radfahrer, etc. – aber auch für Hundehalter. Dass sie sich im Wald mit etwas mehr Rücksicht auf das empfindliche Ökosystem und andere Erholungssuchende bewegen würden – dass sie nicht immer nur auf ihren Vorteil bedacht sind sondern sich auch bewusst sind, dass der Wald einer immer größeren Zahl an Menschen und deren Bedürfnissen gerecht werden muss und dass das auf Dauer nur gut gehen kann, wenn wir tolerant und rücksichtsvoll miteinander umgehen man sich gegenseitig nicht auch noch das Leben schwer macht.
Besten Dank für das Gespräch.
Bilder: Berliner Forsten, Th. Wiehle
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