Es gibt wenig Schöneres, als mit seinem Hund – oder seinen Hunden – eine entspannte Wanderung über saftige Alpweiden zu unternehmen. Oben der blaue Himmel, unten das Tal und dazwischen das saftige Grün einer Bergwiese. Und Kühe.
Kühe kennt der normale Mensch meist nur vom Sehen und von Filmen und Fotos. Vielleicht noch vom Bauernhof, wo man auch schon mal die gesunde Milch gekauft hat. Und vom Supermarkt und grundsätzlich geht man davon aus, dass Kühe liebe, friedliche, sanftmütige Tiere sind. Warum eigentlich? Weil sie Pflanzenfresser sind?
In den letzten Jahren wurde das Wandervergnügen und sogar die Vorfreude darauf allerdings immer wieder etwas getrübt, denn immer wieder und gefühlt immer öfter tauchen in den Sommermonaten Schlagzeilen auf wie „77jährige Wanderin von Kuh getötet“ oder „Kuh attackiert Ehepaar“ und so weiter… Die Kuh als Killer? Unsere Kühe? Die mit den großen Augen, die angeblich keiner Fliege was zuleide tun können? Ja, genau diese Kühe haben in jüngster Zeit zu ebendiesen Schlagzeilen geführt.
Wie gefährlich sind Kühe?
Das, was wir gemeinhin als „Kühe“ bezeichnen sind Hausrinder – der Begriff „Kuh“ ist ans Alter gebunden, bzw. daran, dass eine Kuh erst dann eine ist, wenn sie ein Kalb zur Welt gebracht hat. Es gibt unzählige Kuh-Rassen. In unseren Breitengraden auf den Almen trifft man vorwiegend mittelgroße Rassen an, diese wiegen so um die 600 kg und haben eine Widerristhöhe von ungefähr 140 cm – mal mehr, mal weniger. Sie sind also ungefähr 10 mal so schwer wie ein sehr großer Hund. Nur mal so. Und Kühe haben oftmals Hörner. Die Frage, wie gefährlich Kühe sein KÖNNEN sollte hiermit also geklärt sein. Sie können sehr gefährlich sein. Ein gerüttelt Maß an Respekt ist durchaus sinnvoll.
Allerdings sind Kühe natürlich so gut wie nie von sich aus aggressiv oder gefährlich, sondern – wie die meisten Tiere – nur dann, wenn sie sich bedroht fühlen. Leider haben viele Menschen verlernt, riskante Situationen in der freien Natur zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten.
Wann kommt es zu gefährlichen Begegnungen mit Kühen?
Grundsätzlich muss man ja vorausschicken, dass jede Begegnung zwischen Kühen und Wanderern mit Hund erst mal positiv ist: Auf der einen Seite sind da Kühe die frei in der Bergwelt leben dürfen und auf der anderen Seite ein Mensch mit seinem Hund, die gemeinsam etwas unternehmen. Ist doch prima. Allerdings unternimmt der Mensch etwas mit seinem Hund im Revier der Kuh – und das unabhängig davon, ob er sich auf einem offiziellen Wanderweg befindet oder nicht. Das heißt, dass sich erst mal der Hundehalter informieren sollte, wie man sich im Falle einer Begegnung mit Kühnen zu verhalten hat.
Bedroht fühlen sich Kühe wie fast alle Tiere, wenn sie angestarrt werden und wenn ihre Individual-Distanz unterschritten wird. Oder wenn sie ihren Nachwuchs bedroht glauben.
Der Hund als Auslöser eines Angriffes
Kühe sind – dem Volksmund zum Trotz – natürlich nicht dumm. Ganz im Gegenteil. Aber Kühe, zumal wenn sie frei auf der Alm leben sind auf ihre Instinkte angewiesen. Und ein Hund ist für eine Kuh nun mal tendenziell eine Bedrohung, gleicht er doch in Aussehen, Größe und Verhalten in vielen noch dem Wolf. Wen wundert es also, dass Kühe Hunde grundsätzlich mit Argusaugen betrachten denn sie erkennen in ihm eine zusätzliche Gefahrenquelle. Dies übrigens umso mehr, als sich viele Hunde Kühen gegenüber auch nicht gerade vorbildlich verhalten. Woher sollten sie es auch können? In der Mehrzahl der dokumentierten Angriffe von Kühen war auf der „Gegenseite“ ein Hund mit im Spiel. Wie also verhält man sich als Hundehalter, wenn man beim Wandern auf eine Kuh-Herde trifft?
Kuh-Herde ist nicht gleich Kuh-Herde
Es gibt Kuhherden, von denen geht kaum eine Gefahr aus: Milchkühe, die tagsüber auf der Weide sind und abends in den Stall geholt werden um gemolken zu werden. Diese Kühe haben engen Kontakt mit Menschen und kennen meist auch Hunde. Entsprechend gelassen gehen diese Tiere mit Eindringlingen um.
Jungtierherden sind Zusammenschlüsse von jungen Kühen (eigentlich sind das noch gar keine Kühe sondern Rinder). Auch diese Tiere sind im Allgemeinen kein bisschen aggressiv sondern vor allem übermütig, bewegungsfreudig und neugierig. Unfälle sind sehr selten, Angriffe nicht bekannt. Wenn etwas passiert, dann meist, weil jemand geschubst wurde.
Auch wenn der Film: „Angriff einer Rinderherde“ heißt: so sieht es aus, wenn junge Rinder neugierig sind…
Mutterkuhherde. Das ist das Problem. Diese Herden bestehen aus Muttertieren und ihren Kälbern. Die Kälber sind neugierig, die Mütter verfügen allerdings über einen ausgeprägten Schutzinstinkt und stellen sich natürlich auf die Seiten des Kalbes. Will heißen: nur weil das Kalb von sich aus zu Ihnen kommt, heißt das noch lange nichts. Wenn Sie dann noch die Hand ausstrecken um das niedliche Tierchen zu streicheln, dann kann das eine Kuh-Mutter schon mal als Angriff auf ihr Kalb interpretieren. Und es verteigigen. Wenn zusätzlich Stiere in der Herde sind, dann wird es noch kritischer – aber das können Rüdenbesitzer ja gut nachvollziehen.
Eine Alm ist kein Streichelzoo
Das ist nicht nur ein lustiger Zwischentitel sondern der Titel einer Broschüre, des österreichischen Alpenvereines. Hier werden in knapper Form Verhaltensregeln genannt, an die sich der Bergwanderer – zumal mit Hund – halten soll.
- Machen Sie sich bemerkbar wenn sie in die Nähe einer Herde kommen – aber mit Reden (kein Geschrei), nicht mit rumfuchteln – die Kühe erschrecken sich dann weniger wenn sie „plötzlich“ vor ihnen stehen
- Halten sie wenn immer möglich Abstand zu den Kühen. Gehen sie nicht auf Kühe zu sondern weg, wenn diese zu Ihnen kommen – das gilt auch, wenn die Kühe auf dem Weg stehen. Gehen sie um die Kühe herum.
- Füttern und streicheln sie keine Kühe, und schon gar keine Kälber. Niemals!
- Wenn eine Herde unruhig ist, gehen sie langsam von der Herde weg – nehmen sie lieber einen Umweg in Kauf. Kühe sind schneller als sie!
- Nehmen Sie Ihren Hund an die Leine, wenn Sie sich einer Herde nähern. An die kurze Leine!
- Sollte sich ein Angriff abzeichnen, so lassen Sie Ihren Hund von der Leine – Hunde sind meist flink genug um den Angriffen auszuweichen und lenken die Kühe von Ihnen ab. Wenn Sie einen Hund haben, der sich bei Gefahr hinter Ihnen versteckt, ist das natürlich blöd…
- In einer gefährlichen Situation gehen sie langsam rückwärts weg – wenden Sie der Kuh nicht den Rücken zu.
Woran erkennt man das Drohverhalten einer Kuh?
Die meisten Kühe bleiben bei einer Begegnung, die sie als bedrohlich interpretieren erst mal stehen und fixieren das Objekt. Kühe sehen nicht besonders gut („blinde Kuh“). Dabei beginnen sie, den Kopf zu heben und zu senken und gehen vorne etwas in die Knie. Wenn der Eindringling dann immer noch nicht verschwindet – und das sollten Sie spätestens jetzt tun – so beginnt die Kuh zu scharren (sie kennen das vom Stier) und dann geht die Kuh einige Schritte auf Sie zu bevor sie direkt angreift.
Einige Ratgeber empfehlen, im äußersten Notfall der Kuh mit dem Stock auf die Nase zu schlagen. Ich glaube nicht, dass Sie das schaffen. Andere Tipps lauten, sich groß zu machen und sich zwei Stöcke an den Kopf zu halten, damit die schlecht sehende Kuh glaubt, sie seien eine riesige, unschlagbare Gegnerkuh – wenn sie sich trauen, versuchen Sie es…
Fazit: lieber nur dabei als mittendrin
Im Vergleich zu anderen Gefahren sind Kuhherden auch für Wanderer mit Hund ein sehr kleines Risiko. Trotzdem sollten Sie sich immer bewusst sein, dass Sie in das Revier der Kuh eintreten und sich entsprechend defensiv zu verhalten haben. Weichen Sie aus, führen Sie den Hund an der abgewandten Seite an kurzer Leine. Dann steht einer schönen, langen Wanderung nichts im Wege. Außer vielleicht eine Kuh…
Bild: Bigstockphoto Imfoto