
Die Welt der Hunde-Menschen ist eine sehr vielfarbige Welt. Dieser Farbkasten enthält liebliches Rosa, schweres Rot, kräftige buntgemischte Farbkleckse und sehr viel Schwarz und Weiß. Im Farbbereich Schwarz vs. Weiß schwimmt gerade das Thema Maulkorb kräftig paddelnd herum, welches ich so wichtig finde, dass ich es hiermit in den grauen Farbtopf schubsen will. Und zwar mit Schmackes!
Ist ein Maulkorb Feind oder Freund?
Hunde leben in unserer heutigen Gesellschaft in extrem engen Mustern. Was uns schon gestresst zu bunten Pillen oder Flüssigkeiten greifen lässt, uns in die hilfreichen Arme von Psychiatern treibt und den einen oder anderen zumindest gedanklich auf die viel erwähnte einsame Insel flüchten lässt, stresst unsere Hunde ebenfalls in besonderem Maße:
Lärm, Zeitdruck, Leistungsdruck, Überbeschäftigung und andere Zivilisationskrankheiten hervorbringende Faktoren treiben unsere Hunde immer weiter weg vom Hundsein und hin zu Überreaktionen, Gendefekten, verschobenen Verhaltensmustern und Psychosen. Leider verschaffen sich einige Hunde den nötigen Abstand zu all dem mit ihrer einzigen Waffe: den Zähnen. Nicht dass so manch einer von uns das auch gerne tun würde, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Der Maulkorb als Präventions-Instrument
Dagegen gibt es nun eine ganze Anzahl von schwarzlackierten Argumenten.
Der Maulkorb beeinträchtigt die Atmung
Ein Maulkorb kann die Luftzufuhr und Temperaturregulierung durch die Maulhöhle stark beeinträchtigen oder unterbinden. Da Hunde keine Porenatmer sind und somit nur über die Zunge, die offene Maulhöhle und die Unterseite der Pfoten schwitzen, ist ein geschlossener Fang durch einen zu engen Maulkorb bei normaler Temperatur schon sehr schwierig, bei Wärme oder zu heißem Temperament und dadurch angestiegener Körperwärme extrem gefährlich und führt auf dem Weg zum Kollaps zu massivem Stress des betreffenden Trägers.
Der Maulkorb beinträchtigt die Kommunikation
Ein Maulkorb kann die Kommunikation des betreffenden Hundes beeinträchtigen. Die Mimik muss durch die korbartigen Streben hindurch erkannt werden, was durch einige Modelle durchaus stark erschwert wird. Die Folge ist, dass der Träger dieses Modells zusätzlich für Missverständnisse unter Artgenossen sorgt. Und das, wo er doch Kontaktaufnahme zu Artgenossen neu erlernen soll. Zudem hat der Maulkorbträger bei ernsthaften Auseinandersetzungen keine Chance auf Selbstverteidigung, da seine Waffen sozusagen gesichert sind.
Der Maulkorb macht einsam
Ein Maulkorb macht einsam. Wenn der eigene Hund herumläuft wie Hannibal Lektor, wie bitteschön soll er je wieder in der Gemeinde als eigentlich netter Kerl akzeptiert werden? Die Leute wechseln die Straßenseite, soziale Kontakte sind ausgeschlossen, vorwurfsvolle Blicke werden verschossen, man fühlt sich als Versager – ganz toll.
Man kann nicht mit dem betreffenden Hund arbeiten, weil kein Leckerchen durch die Streben passt. Wie soll er also lernen, seine Umgebung zu akzeptieren, wenn man ihn nicht positiv bestärken kann? Und hässlich sind die Dinger auch noch. Man will seinen wunderschönen Hund nicht einfach so entstellen.Basta!
Der Maulkorb stört den Hund
Hinzu kommen fiese Druckstellen, weil der Korb nicht richtig sitzt und schwer ist er auch noch. Eine absolute Tortour beim Anziehen, denn nicht nur Herrchen findet das Ding blöd. Wenn der Maulkorb erst mal drauf ist, will der Hund ihn ständig runterschrubbeln, vorzugsweise an menschlichen Beinen und das tut empfindlich weh. Ein erholsamer Spaziergang sieht anders aus. Und außerdem ist das doch Freiheitsberaubung! Trinken, Fressen, Buddeln, Schwimmen gehen, Zunge so nett heraushängen lassen, all das geht so nicht. Und eigentlich ist das Problem ja auch gar nicht so groß, zu Hause ist der Bube total nett, verschmust und großartig.
All das habe ich schon zu Genüge gehört. Und ich kann diese Haltung auch in gewissem Maße verstehen, weil sich vielleicht auch nicht jeder mit den Alternativen und Konsequenzen beschäftigen mag, solange keine Riesendramen passieren und man die Leute vom Ordnungsamt noch nicht mit Namen und Handschlag begrüßen muss.
Da ich aber ein stoisches Herumpaddeln in der schwarzen Lackfarbe nicht dulden mag, gibt es einen deftigen Tritt und ab in den grauen Farbtopf.
Auf diesem Farbtopf steht mit leuchtenden und unmissverständlichen Lettern:
Der Schutz von Mensch und Umwelt geht vor!
Ein ganz neuer Gedanke? In einer Zeit des totalen Individualismus, in welcher das Leben des eignen Hundes gern über das eines Mitmenschen gestellt wird, ein unbequemer Gedanke. Erschreckend vielleicht, aber ein gesellschaftliches Problem, nicht nur der deutschen Mentalität. Es führt dazu, dass der völlig zerfetzte Oberarm des Ehegatten mit einem „selber Schuld“ quittiert wird und Arbeitsplatzverlust sowie Scheidung in Kauf genommen werden. Ein Hoch für die Aufopferung von Menschen, die wahren Tierschutz betreiben. Aber hier muss für Aufklärung gesorgt werden. Denn der Maulkorb ist nicht das Monster, die Angst ist es.
Der Maulkorb gibt Freiheit. Für Mensch und Tier.
Natürlich braucht es einen gut sitzenden, gepolsterten, stabilen und leichten Maulkorb. Und der Markt ist voll. In allen Farben, bedarfsweise sogar in Rosa, mit und ohne Blümchen, perfekt individuell angefertigt, für absolut alle Rassen ist das gute Stück zu bekommen. Die Größe muss das Öffnen des Fanges zur Temperaturregulierung ermöglichen. Geht, Windhunde im Rennen beweisen das. Vorsicht bei zu großen Abständen der Streben. Menschliche Finger verirren sich bei brenzligen Situationen allzu schnell darin. Leckerchen gibt es in absolut unfassbarer Vielfalt, irgendetwas dieser Tonnen an Angeboten passt sicherlich hindurch. Wenn man das will. Eine vernünftige Maulkorbgewöhnung verhindert den Unmut des Trägers.
Der Maulkorb gibt sicherheit. Für Mensch und Tier.
Durch gutes Management, Erkennen der Bedürfnisse des Hundes und Hilfe von außen (es gibt wirklich gute Trainer da draußen), kann der Hund auf diese Weise Sozialkontakte üben, der Mensch muss nicht mehr nur nachts spazieren gehen und echte Fressmaschinen brauchen nicht den Gifttod zu fürchten. Denn das ist ebenfalls eines der beliebten Vorurteile. Bei Weitem nicht alle Maulkorbträger haben Beschädigungsabsicht. Viele müssen vor sich selbst geschützt werden.
Nun sitzen wir mit diesem Thema also schon im grauen Farbeimer, schauen wir doch noch etwas genauer hin.
Kommunikation mit Maulkorb ist möglich
Kommunikation ist durchaus kein Problem. Durch die Streben des passenden Modells sind alle Zeichen der Mimik für die Kommunikationspartner zu erkennen. Im Gegenzug darf aber der Maulkorbträger nicht wahllos auf andere losgelassen werden. Auch so ein Korbgeflecht in der Rippe kann verletzen. Der Hund muss neu angeleitet werden, durch ein gutes Training von Mensch und Hund. Aber das Gemüt des Menschen ist doch erheblich ruhiger und durch gutes Management kann ein artgerechtes Leben des Hundes wieder statt finden.
Bleibt noch die Beißabsicht des Gegenübers. Naja, ich erwarte den selben Respekt vor der Unversehrtheit der Beteiligten auch von meiner Umwelt. Weil das leider nicht völlig naiv so erwartet werden kann – was traurig genug ist – muss ich also mit Menschenverstand vorher eine Auswahl treffen, mich gut absprechen und aufpassen, aktionsbereit sein. Dann ist auch diese Furcht unberechtigt.
Gesellschaftlich gesehen ist der Maulkorb gewiss ein ungebetener Anblick. Aber wie mit allen unbekannten und unbeliebten, aber hilfreichen Dingen, gibt es nur einen Weg:
In gutem Beispiel voran gehen und den Maulkorb zu einem selbstverständlichen Gebrauchsgegenstand im Alltag machen!