
Das Zusammenleben mit einem Hund ist eine Bereicherung. Hunde erleichtern uns unsere Arbeit, helfen im Alltag, beschützen unsere Häuser und wärmen uns unsere Herzen. Ein Leben lang.
Leider fehlt ihnen etwas, was jeder Mensch einmal schmerzlich erfahren muss: unsere Lebensspanne. Dass wir sie vermissen werden, steht außer Frage. Doch wie gehen wir mit diesem Tabuthema in unserer westlichen Gesellschaft um? Zudem haben wir einen umstrittenen Vorteil gegenüber menschlichen Angehörigen: wir dürfen hier Leid aktiv durch einen Tierarzt beenden. Was die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt aufwirft. Gibt es ihn überhaupt, den richtigen Moment des “Gehenlassens“?
Früher war alles einfacher.
Noch vor fünfzig Jahren gab es um dieses Thema beim Tier kein Gezampel.
Tiere waren hauptsächlich Nutztiere. Leben und Tod lagen im Alltag dicht beieinander. Gestern noch auf dem Hof schnatternd verfolgt und täglich gefüttert, lag die Gans morgen als Sonntagsbraten auf dem Tisch. Wie man ein Huhn pflegte, aber auch tötete, lernten die Kinder Hand in Hand mit den Erwachsenen. Der Hofhund wurde gewiss auch mal gestreichelt, wenn er es zuließ, aber war er alt und nutzlos, kam der befreundete Jäger. So war es eben.
Als sich die Aufgaben der Hunde verschoben, veränderte sich auch unsere Sicht und unser Empfinden dem Hund gegenüber. Die Wissenschaft zeigte spannende Verhaltensähnlichkeiten zu uns auf. Begriffe wie Empathie, Beziehung und Beschäftigung gewannen an Wertigkeit. Und Gesundheit. Tierärzte wurden zunehmend auch im Kleintierbereich gefragter und sind heute weiter verbreitet, als die Großtierpraxis.
Vom Hof ins Wohnzimmer
Der Weg des Hundes führte mit erstaunlicher Geschwindigkeit vom Hof in unser Wohnzimmer und in unsere Herzen. Tierschutzgesetze wurden erlassen, schützten das Tier vor Pfändung und Tiermisshandlungen werden empfindlich geahndet.
Was den letzten Gang, nicht zuletzt durch die Vermenschlichung unserer Hunde, nicht leichter macht.
Kein Tier darf unnötig leiden oder bewusst Schmerzen erfahren. Doch wie viel Leid ist unabänderlich? Dürfen unsere Hunde noch den Gang allen irdischen Lebens gehen und würdevoll sterben? Wann muss eine Entscheidung für das Tier von uns gefällt werden?
Wir sprechen gerne von der Regenbogenbrücke, des Gehenlassens oder stellen uns die Frage, wie sich unser Leben ohne den vierbeinigen Begleiter wohl leben lassen wird.
Unsere Hunde erfahren eine nie dagewesene Lebensverlängerung in dieser heutigen Zeit. Rollende Gehhilfen, Bluttransfusion, komplizierte Operationen, Heilpraktiker, Chiropraktiker, Ernährungsberater, Physiotherapeuten, Psychologe und Gnadenhof. Und am Ende gibt es mittlerweile auch Tierfriedhöfe und -krematorien.
Alles dabei. Und Trauerbegleiter? Ohne Übertreibung, wer hilft bei all der Lebensverlängerung bei der lebensbeendenden Entscheidung?
Zu lange warten?
Ich sehe viele Hunde, auch in meinem Beruf als Hundetrainer, da würde ich gerne sofort zum Tierarzt fahren und dem ein Ende setzen. Sicherlich steckt nicht nur guter Wille hinter der Maschinerie Hund. Es fließt viel Geld mit einem alten Hund und die Kassen klingeln fleißig. Der Ottonormal Hundehalter ist hier aus emotionalen und rein menschlichen Gründen kaum in der Lage, wirklich korrekt zu entscheiden. Wir wollen festhalten. Oft um jeden Preis.
Und unsere Hunde?
Ja, in der Tat. Sie wedeln immer noch, selbst unter Schmerzen. Sie humpeln mit uns die altbekannte Gassirunde. Sie nehmen dankbar die Leckereien an. Sie zeigen uns ihre Zuneigung. Ununterbrochen.
Ich gehe sogar noch einen sehr provokativen Schritt weiter.
Weil wir sie so stark an uns binden, ihnen alles und noch viel mehr zukommen lassen, wie auch unseren menschlichen Begleitern, sind sie kaum noch in der Lage, bei Zeiten einfach zu sterben.
Gehen wir zu weit in unserer Vorstellung von Lebenserhaltung? Wenn Menschen sterben, hört man oft die Geschichte, dass Sterbende erst abtreten, wenn die Angehörigen einen Kaffee holen oder zur Toilette müssen. Aber lassen wir unseren Hunden genügend Luft, den letzten Weg alleine gehen zu können?
Überlegungen
Ich lebe mit einem älteren und nicht gesunden Hund zusammen. Mein erster eigener alternder Hund. Schwierig ist das. Einmal standen wir sehr kurz vor der lebensbeendenden Entscheidung. Weil ich zudem gelernte Tierarzthelferin bin, stehe ich dem noch etwas pragmatischer gegenüber. Ich habe eine kleine Liste mit Dingen, die meinen Hund ausmachen.
Sie frisst sehr gerne.
Sie ist ein lustiger lebensfroher Hund.
Sie läuft und rennt sehr gerne.
Sie liebt Kuscheleinheiten.
Die Entscheidung war sehr knapp, weil sie nichts mehr fraß, sehr depressiv und traurig war, nur mühevoll gehen konnte und sie Berührungen unangenehm fand vor Schmerzen. Eine sehr gute Heilpraktikein konnte das Ruder herumreißen. Diesmal. Aber für mich bleibt diese persönliche Liste das Maß meines Hundes. Sie wird mir auch bei der wirklichen Entscheidung helfen.
Wie sieht Eure Liste aus? Diese persönliche Wohlfühlliste kann uns den Kopf frei halten. Denn irgendwann muss es dann eben soweit sein. Dramen helfen unseren Hunden nicht. Aber Vernunft. Das sind wir unseren Hunden schuldig. Bis zum Schluss.
Bild: Bigstockphoto Hannamariah