
Wahnsinn, diese Hunde: Wer je gesehen hat, wie Border Collies Schafe hüten (wobei, das tun sie eigentlich gar nicht, es sieht nur so aus. Border Collies sind eigentlich Treibhunde, das ist schon ein Unterschied), der kann sich der Faszination dieser Tiere nicht entziehen. Und wer dann auch noch liest, dass Border Collies die intelligentesten Hunde sein sollen und dass es einige Exemplare schaffen, 140 Stofftiere zu unterscheiden für den ist klar: Ein Border Collie soll es sein. Gibt es denn einen besseren Familienhund, Begleithund, Sporthund etc. als diese geniale, intelligente, hübsche Rasse? Ja. Gibt es. Und es sind sogar die meisten Rassen besser dazu geeignet als ausgerechnet die Border Collies.
Viele Border Collies haben einen Dachschaden…
…bekommen. Den haben sie natürlich nicht von Geburt an, der wird ihnen antrainiert. Mit Bällen, Stöckchen, Kuscheltieren, Agilityhindernissen… Wo immer Border Collies auftauchen, sie spielen ganz vorne in der Rangliste mit: Egal ob beim Agility, beim Frisbee, beim Trickball, egal wo – man kann fast sicher sein, dass auf den ersten drei Plätzen 2 Border stehen. Und ein Malinois. Warum gibt es dann so viele Border Collies in Not, warum gibt es so viele durchgeknallte Hunde dieser Rasse auf dem alltäglichen Spaziergang und warum sieht man – auch auf Turnieren – so oft kläffende Borders die mal eben aus ihrer Box geholt werden, dann perfekt eine Bestzeit auf den Parcour zaubern und dann wieder kläffend in der Box verschwinden? Weil die Besitzer nicht wissen, worauf sie sich eingelassen haben.
Überforderung der Besitzer – Überforderung des Hundes
„Einen Border Collie kann man gar nicht genug auslasten“ – das ist das gängige Klischee unter dem diese Rasse zunehmend leidet. Und so müssen viele dieser Hunde vom Welpenalter an das volle Programm abspulen: Montags Agility, Dienstag Hundeschule, Mittwoch Spielgruppe, Donnerstag Treibball, Freitag Dummytraining, Samstag Unterordnung, Sonntag Sucharbeit. Der Hund will ja ausgelastet werden – das einzige was er wird, ist überlastet und überfordert. Wer so handelt und das als Auslastung versteht, der ist auf dem besten Weg, sich einen vollkommen durchgeknallten Border Collie heranzuziehen. Ein Border braucht eine (numerisch: 1) Aufgabe, die ihn auslastet – nicht Dutzende von unterschiedlichen Aufgaben, die ihn überlasten. Permanenter Stress ist der sicherste Weg, aus dieser Hunderasse ein echtes Problem zu machen.
In der Ruhe liegt die Kraft
Was für die meisten Hunde gilt – unter anderem auch für Labradore, nur so nebenbei – gilt in besonderem Maße für Border Collies: Sie brauchen eine herausfordernde Aufgabe und daneben brauchen sie Ruhe. Viel Ruhe. Im Gegensatz zu anderen Hunderassen ist allerdings ein Border ein absoluter Spezialist, für den es kaum eine andere adäquate Aufgabe gibt, als die ihm ursprünglich zugedachte: Das Hüten. Alles andere ist lediglich ein Hilfsbehelf – dass kann gut gehen, geht es aber meistens nicht. Die wenigsten Border sind im Alltag entspannt – sie sind immer auf Alert, in Anspannung. Und genau das ist eigentlich auch ihr Job. Nur eben im Alltag ziemlich mühsam.
Arbeiten muss der Border Collie nicht lernen – was er lernen muss ist entspannen, Ruhe, Pausen…
Hütehunde jagen, es sieht nur nicht so aus
„Mein Border jagt nicht, das ist ein Hütehund“ – Irrtum! Selbstverständlich jagt ein Border. Das Hüten ist nichts anderes als ein – bewusst – ausgekoppelter Teil des komplexen Jagdverhaltens. Der Border schleicht sich an, dann hetzt er – in die Richtung, die der Schäfer ihm vorgibt. Der Border umkreist die Herde, damit sie durch ihn nicht gestört wird und erst auf Befehl treibt er sie vor sich her – was nichts anderes ist als ein Teil des Jagens.
Als Hütehund hat der Border zudem zwei wesentliche Eigenschaften, die ihm bei seiner Tätigkeit helfen: Erstens ist er immer – IMMER – aufmerksam (außer er darf sich eben ausruhen) und entsprechend von einer Sekunde zur anderen, ach was: von einer Zehntelsekunde zur anderen, voll in seiner Aufgabe. Dabei denkt er nicht nach. Er tut einfach. Das macht er übrigens genauso, wenn zum Beispiel ein Auto schnell vorbeifährt… oder ein Radfahrer… oder, oder, oder…. Zweitens reagiert der Collie sehr stark auf optische und akustische Reize. Erstes ist ein Problem – wenn der Boder zum Beispiel glaubt, der Jogger am Horizont sei ein entlaufenes Schaf, zweites kann hilfreich sein um ihn zu kontrollieren.
Der Border Collie ist sensibel und kennt kein Ende
Ein Border Collie kann nicht „ein wenig hüten“. Entweder er macht seinen Job oder er macht ihn halt nicht. 50% geht nicht. Das bedeutet auch, dass ein Border bei seiner Arbeit – egal welche das ist – auch mal über seine Grenzen geht. Er würde wohl eher tot umfallen als aufzuhören zu arbeiten, solange man ihm das nicht „befiehlt“. Auch das führt zu mitunter Gesundheits gefährdenden Missverständnissen: Wenn ein Border auch das hundertste Mal noch dem Stock oder Ball nachjagt, und zwar immer noch in der gleichen Geschwindigkeit, dann kann er schon längst überfordert und überlastet sein, aber er kann nicht aufhören – da muss schon der Besitzer dafür sorgen.
Daneben ist der Border sehr sensibel – muss er sein. Er muss auf kleinste Veränderungen reagieren können. Das führt dazu, dass der Border extrem schnell lernt – auch unerwünschte Verhaltensweisen. Und, was auch gerne übersehen wird: Ein Border kann auch mal zubeissen, oder zumindest schnappen. Muss er auch, den wenn ein Schaf nicht dahin läuft, wo es soll, dann muss auch mal nachgeholfen werden.
Der Border Collie ist kein Familienhund
Ja, der Border ist auch „nur“ ein Hund und zahlreiche Familien sind glücklich mit ihrem Border Collie – dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es bei Bordern mittlerweile wie bei Labradoren Arbeits- und Showlinien gibt. Zweitere sind deutlich besser als Alltagshund geeignet, während Arbeitslinien wirklich nur an Leute abgegeben werden sollten, die hüten. Denn: Für einen Border Collie aus einer Arbeitslinie gibt es keinen adäquaten Ersatz fürs Hüten. Nichts. Für Showlinien sieht es ein wenig besser aus, aber auch diese bringen Veranlagungen mit, die im Alltag problematisch werden können.
Wer sich also nicht vom Gedanken lösen kann, einen Border Collie als Familien- und Sporthund zu halten, der sollte dem Tier zuliebe den Züchter wirklich sehr sorgsam aussuchen und einen großen Bogen um Arbeitslinien machen. Sich selbst, dem Hund und der Umwelt zuliebe.
Bilder: Bigstockphoto