
Wenn sich ein Buch selbst „Barf Bibel“ nennt und damit mit der Assoziation „Unfehlbarkeit“ zumindest spielt, dann dürfen sich Verlag und Autor – in diesem Fall die Autorin Katja Sauer – nicht wundern, wenn ein gewisser Vorbehalt und eine kritische Neugier dem Inhalt und den Urhebern gegenüber vorherrschen. Zudem impliziert „Barf Bibel“ ein umfangreiches Werk – was aber tatsächlich vor einem liegt, ist ein kleines Büchlein mit kaum mehr als 80 Seiten.
Der Barf-Bibel Einstieg klingt arrogant
Auf der Innenklappe der Barf Bibel liest man, dass es viele Bücher zum Thema BARF gäbe, dass die meisten aber von „begeisterten Laien“ geschrieben worden seien und dass die BARF-Bibel eines der ersten Bücher auf dem Markt sei, das ausschließlich auf Basis gesicherter veterinärmedizinischer Kenntnisse geschrieben worden sei und dass – das steht auf der Rückseite – Studien gezeigt hätten, dass 75% aller gebarften Hunde unausgewogen ernährt würden. Abgesehen davon, dass in diesem Zusammenhang „begeisterter Laie“ ziemlich despektierlich klingt, ist man natürlich gespannt auf die Studien, die die Aussage der offenbar schlechten Ernährung untermauern.
Die Autorin ist Tierärztin – aber nicht nur
Dr. med. vet. Katja Sauer ist Tierärztin – allerdings hat sie ihre Tätigkeit seit 2002 mehr und mehr in den Bereich Fachjournalismus verlegt und bietet über www.vettexte.de an: „Gerne kommuniziere ich auch für Ihr Produkt Tiergesundheitsaspekte in ansprechender Form“ – gemacht hat sie das bereits für Mars Petcare, für CP-Pharma und Virbac, Sie schreibt für Pressebüros und Kommunikationsfirmen im Bereich Tiergesundheit und -ernährung und für den Minerva-Verlag, der zahlreiche Tiermagazine vertreibt und auch die BARF-Bibel herausgebracht hat.
Nun ist gegen eine fachjournalistische Tätigkeit natürlich überhaupt nichts einzuwenden – wenn allerdings so stark auf die gesicherte veterinärmedizinische Basis der Barf Bibel hingewiesen wird, dann würde man sich doch sehr wünschen, dass die Hintergründe ebenso klar aufgeführt werden – und die Spannung steigt natürlich, welche Studien verwendet wurden, wie sie analysiert, interpretiert und vor allem wie sie belegt wurden – immerhin steht die Behauptung noch im Raum, dass 75% der gebarften Hunde falsch ernährt würden…
Die Studien sind nicht auffindbar
Um es von Anfang an klar zu stellen: In der Barf Bibel von Kaja Sauer steht kein Mist, das, was sie schreibt, stimmt plus minus alles und sie rät auch nicht vom barfen ab. Aber: Und das ist der Hauptkritikpunkt: Entgegen dem Klappentext sind weder die angeblichen Studien klar aufgeführt, noch wird belegt, wie falsch denn 75% der Hunde ernährt werden – ebenfalls nicht wirklich sinnvoll ist die „medizinisch fundierte Anleitung zur Berechnung der Rationen“ – denn richtigerweise relativiert die Autorin die Angaben immer gleich wieder selbst, weil rasse- und aktivitätsspezifische Merkmale den Bedarf eines Hundes locker um plus/minus 20-30% schwanken lassen.
Das ärgerlichste aber ist die permanente Nennung von „Studien“ und „wissenschaftlichen Erkenntnissen“ die nicht näher erläutert werden. Das Quellenverzeichnis der Barf Bibel weist grade mal 14 Quellenangaben auf – die älteste von 1975. Die Quellen in den Quellenangaben sind nicht nummeriert, im Text wird allerdings auf – zum Beispiel – Quelle 11 – verwiesen. Ob das dann tatsächlich die elfte der angegebenen Quellen ist lässt sich nicht nachvollziehen, geschweige denn, dass klare, wissenschaftlich korrekte Quellenverweise benutzt würden. Nochmals: Für ein „normales“ Buch ist das kein Fehler – wer sich aber selbst in den Status erhebt, eines der ersten Bücher geschrieben zu haben, das wissenschaftliche Fakten und Studien als Basis benutzt, der sollte schon auch die grundlegenden Zitier-Regeln einhalten (da war doch mal was mit einem Politiker…) damit die Aussagen auch überprüft werden können.
Stellweise tendenziös
Wenn Frau Sauer schreibt, dass rohes Eiweiß kontraproduktiv für den Hund sei, dann hat sie damit nicht unrecht – wenn auch hier die Meinungen auseinander gehen (hier zum Beispiel wäre es doch toll, eine neue Studie genannt zu bekommen), denn Avidin bindet Biotin im Darm. Wenn sie aber schreibt, dass 2 – 3 ganze Eier innerhalb „weniger Tage“ einen Biotinmangel auslösen können, dann ist das erstens tendenziös und zweitens – schlimmer – weder neu, noch wissenschaftlich. Da fehlt einfach alles: Vergleichswerte, Hundegewicht, genaue Zahlen, Werte etc. Ich wiederhole mich: Das ist per se nicht schlimm, wer aber den Anspruch weckt, eine wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben, der muss schon in Kauf nehmen, wenn ihm solche ungenauen Platitüden vorgeworfen werden.
Auch der Satz: „… so bleibt es eine Tatsache, dass ein hoher Anteil der BARF-Rationen unausgewogen zusammengesetzt ist.“ Da ist sie wieder, die Behauptung die richtig oder falsch sein kann – als Wissenschaftlerin und im Hinblick auf den Anspruch des Buches gehört diese – und genau diese – Aussage aber belegt, bewiesen und begründet. Sonst ist sie schlicht nichts wert.
Fazit: Die Barf Bibel bringt keine neuen Erkenntnisse
Die BARF-Bibel von Dr. med. vet. Katja Sauer ist ein Büchlein, das Herkunft, Art und Weise, Risiken (und in ganz geringem Umfange auch die Vorteile) des Barfens erklärt – es zeigt auf, welche Nährstoffe ein Hund in welcher Menge braucht und weist gleichzeitig darauf hin, dass fast alle Hunde unterschiedlich sind. Einige Rezepte runden den Inhalt ab und zudem wird noch auf junge und alte Hunde eingegangen sowie auf solche, die Diabetes haben.
Unterm Strich: Nichts Neues, und schon gar kein Hinweis darauf, woher die Aussage kommt, dass 75% der gebarften Hunde falsch ernährt würden. Man kann sich das Buch kaufen, wer aber schon ein Buch über Barfen hat, kann es sich auch sparen – etwas Neues steht da nicht drin.
Inhaltlich ist dem Buch nichts vorzuwerfen – formal aber schon. Klappentext und Titel wecken Erwartungen, denen das Büchlein nicht gerecht wird – insofern hinterlässt es einen sehr zwiespältigen Eindruck – fachlich korrekt, tendenziell werden eher die Risiken des Barfens aufgezeigt und von neuen Erkenntnisse kann auch keine Rede sein. So lässt sich der Verdacht nicht ganz wegwischen, dass die Intention des Buches die sein könnte, mit der ausführlichen Auflistung von möglichen Problemen und Schwierigkeiten die Leute eher vom barfen abzuhalten. Womit wir wieder beim Anfang des Artikels wären…
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