Der Wolf – Urvater unserer Hunde – verkörpert für viele Menschen das, was unsere „normalen“ Hunde angeblich nicht mehr haben: das Urtümliche, wilde, freiheitsliebende und mystische. Legenden ranken sich um den Wolf, Ängste und Bewunderung halten sich die Waage aber kaum jemand kann sich der Faszination dieser Tiere entziehen. Und Wolfshunde – also Kreuzungen zwischen „richtigen“ Wölfen und Hunden scheinen diese Bedürfnisse nach dem Besonderen, Urtümlichen und Speziellen zu befriedigen. Doch zu welchem Preis?
Was sind Wolfshunde eigentlich?
Wir sprechen hier nicht von dem Irischen Wolfshund oder dem Barsoi, dem russischen Wolfshund – die heißen nur so. Wir sprechen vom Tschechoslowakischen Wolfshund und dem Saarlooswolfhund. Zwei Hunderassen, die mit einem besonderen Ziel gezüchtet wurden: der Verbesserung des Schäferhundes. Während beim Tschechoslowakischen Wolfshund der Karpatenwolf Pate stand, war es beim Saarloos eine europäische Wölfin als „Urmutter“. Wolfshunde sehen – zumindest für Laien – einem Wolf sehr ähnlich und sie sind genetisch auch näher beim Wolf angesiedelt als – zum Beispiel – ein Labrador oder ein Dackel. Man geht davon aus, dass rein rechnerisch in den heutigen offiziellen Wolfshunderassen rund 12 bis 15% „Wolfsblut“ fließen.
Faszination Wolfshund – eine riskante Faszination
Viele Liebhaber von Wolfshunden – und wir sagen bewusst „viele“ und nicht „alle“ – sind von Wolfshunden fasziniert, weil sie die ideale Projektionsfläche für die persönlichen Freiheitsbedürfnisse darstellen: Einmal wie ein (einsamer) Wolf durch die Gegend steifen, unabhängig sein, ungebunden, unbeugsam, mystisch und geheimnisumwittert – was Wunder, dass viele dieser Fans in Trapperkleidung oder in Gothik-Klamotten rumlaufen um sich vom Herkömmlichen, Normalen, Langweiligen abzuheben. Was man dabei oft vergisst: die verbliebenen 15% Wolfsblut haben einen gravierenden Einfluss auf das Wesen des Wolfshundes – nur oft ganz anders als eigentlich gedacht. Und was man oft auch vergisst: die selbst ernannten Trapper sind im Alltag oft ganz normale Menschen und meilenweit davon entfernt, Freiheit und Unabhängigkeit zu leben.
Der Wolf ist ganz anders – der Wolfshund auch
Von wegen „einsamer Wolf“, von wegen „mutig und unbeugsam“. Der Wolf an sich ist ein Rudeltier und legt Wert auf ein sehr stabiles Rudel mit einer sehr klaren Hierarchie. Und der Wolf geht grundsätzlich jedem Konflikt aus dem Weg – er ist schüchtern, misstrauisch und macht um Fremdes einen großen Bogen. Das tut er nicht aus Feigheit, sondern aus gutem Grund: diese Vorsicht sicherte den Wolfsrudeln in der Vergangenheit das Überleben. Die beiden Wolfshunderassen haben nun einen Teil dieses wölfischen Verhaltens übernommen: sie sind unabhängiger, misstrauischer, zurückhaltender und eigenständiger als die allermeisten anderen Hunderassen. Im Klartext: Der Wolfshund denkt nicht wirklich, dass er den Menschen braucht – er akzeptiert ihn als Rudelführer, wenn er es kann. Aber nur dann.
Wie ist ein Wolfshund? Wie ist er nicht?
Ein Wolfshund – egal ob Saarloos oder Tschechoslowakischer – ist ein Hund. Aber er unterscheidet sich in mancher Hinsicht gravierend von anderen, „normalen“ Hunderassen. Beide Rassen sind definitiv keine Hunde für Anfänger. Es braucht schon ein gerüttelt Maß an Sach- und Hundeverstand um diese Tiere halten zu können ohne dass kurz- bis mittelfristig Probleme auftauchen. Die Faszination, welche die Wolfshunde ausstrahlen ist gleichzeitig auch das Risiko.
Ein Wolfshund ist ein Hund hoch 10
Ein Wolfshund ist ein Hund. Ein Hund, der noch viel ursprünglicher ist, wölfischer halt, als die meisten Hunde. Jede Eigenschaft des Hundes, jede Eigenart ist bei einem Wolfshund deutlich intensiver als bei einem „normalen“ Hund. Intensiver heißt hier nicht: stärker. Denn bei vielen Hunden wurde ein bestimmtes wölfisches Verhalten durch Zucht verstärkt – andere Verhalten dagegen wurden zurückgezüchtet oder unterdrückt. Ein Wolfshund besitzt noch alle wölfischen Eigenschaften in fast gleich starker Ausprägung – er ist sozusagen noch „ungefiltert“. Ein Wolfshund ist sozusagen ausgeglichen in seinen Eigenschaften – kein Instinkt überwiegt den anderen, entsprechend aufwändig ist die Erziehung und Ausbildung, weil eben auch nicht auf eine bestimmte Stärke aufgebaut werden kann, sondern alle Eigenschaften in Betracht gezogen werden müssen. Ein Wolfshund stellt dementsprechend nicht andere Anforderungen an einen Hundehalter als ein „normaler“ Hund – diese Fähigkeiten des Hundehalters müssen aber deutlicher ausgeprägt sein – viel deutlicher. Während die meisten „normalen“ Hunde grundsätzlich alltagstauglich sind und – man schaue sich nur mal um, um den Beweis für diese Aussage zu finden – auch unter der Führung von unerfahrenen, wahlweise auch unfähigen, Hundehaltern immer noch handhabbar bleiben, so ist dies bei einem Wolfshund eben total anders: Erziehungsfehler, Nachlässigkeiten, Versäumnisse wirken sich direkt aus. Direkt und unmittelbar. Wir wagen einen Vergleich, der hinkt: Normale Hunde sind ein VW Golf – damit kommt jeder mehr oder weniger gut klar. Wolfshunde sind Rennwagen – die meisten normalen Autofahrer bekommen diese Geräte noch nicht mal in Fahrt. Und zweimal abgewürgt ist auch schon die Kupplung kaputt. Ein Wolfshund ist ein Hund hoch 10 – und er benötigt einen Hundehalter, der seinen Fähigkeiten gewachsen ist.
Wir warnen vor Wolfshunden – und bewundern sie.
Wir beziehen hier klar Stellung: Wir warnen ausdrücklich davor, sich als normaler Hundebesitzer einen Wolfshund zuzulegen – das Risiko, dass etwas schief läuft und der Hund nach knapp zwei Jahren in der Vermittlung landet, ist einfach zu groß. Als Halter eines Wolfshundes braucht man von allem mehr: Mehr Führungsstärke, mehr Geduld, mehr Erfahrung, mehr Zeit, mehr Ausdauer, und vor allem mehr Selbstbewusstsein, denn während ein Labrador nach einem groben Erziehungsfehler vielleicht einen halben Tag verunsichert ist, kann es sein, dass sie bei einem Wolfshund wieder bei fast bei Null beginnen und die nächsten zwei bis drei Monate brauchen, das verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen. Und in der Zeit hält der Wolfshund sie absolut nicht für seinen Rudelführer… Wolfshunde sind tolle Tiere – aber sie gehören in Fachhände. Und Züchter, welche diese Rassen als „idealen Familienhund“ anpreisen gehören schlicht und einfach boykottiert.
Ein weiterer, wesentlicher Unterschied zu den herkömmlichen Rassen: Bei einem Dackel, Pudel, Labrador etc. weiß man ziemlich genau, was man bekommt – auch vom Wesen her sind diese Rassen durchgezüchtet. Mehr oder weniger alle Vertreter einer Rasse bewegen sich in einem ziemlich engen Bereich der Ausprägungen – nicht so Wolfshunde: bei diesen Rassen können sich nicht nur Würfe sondern sogar Geschwister im Wesen gravierend voneinander unterscheiden. Wolfshunde sind diesbezüglich die Pralinenschachtel aus „Forrest Gump“: Man weiß nie, was man bekommt.
Gefahr durch Wildzüchtungen und Hybriden
Während die beiden Wolfshunderassen Saarloos und Tschechoslowaken trotz allen noch einigermaßen kontrolliert gezüchtet werden, hat sich in den letzten Monaten und Jahren vor allem in Frankreich ein lukratives Geschäft mit Wolfshunden und Hybriden entwickelt: Hier wird alles eingekreuzt, was nach Wolf aussieht oder auch tatsächlich Wolf ist – und dann wird diese Wundertüte unter den Namen „Wolfshund“ für bis zu 3000 Euro verkauft. An Leute, die sich mit dem Geld den eigenen, misslungenen Traum von Abenteuer und Freiheit, von Mystik und Unbeugsamkeit erfüllen wollen. Und dabei nur dem Tier schaden und sich selbst ein unlösbares Problem ins Haus holen – als Statussymbol oder „lebendes Gemälde“.