Man schrieb das Jahr 1814 als das erste Mal ein “Labrador” als solcher bezeichnet wurde – bis dahin waren es Neufundländer. Die allerdings hatten mit den heutigen Neufundländern auch nur sehr wenig gemein: Eigentlich nur die Wasserfreude. Das Jahr 1814 kann also als „Geburtsstunde“ des Labradors gelten – der eigentliche Rassenname „Labrador Retriever“ wurde allerdings erst 1870 erstmals erwähnt.
Der Labrador – eigentlich ein Engländer
Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts brachten Fischer den „Labrador“ nach England, wo er sich bei einigen wenigen jagdbegeisterten Adeligen einen guten Namen machte – entsprechend wurde die Rasse weitergezüchtet, wobei die jagdliche Eignung konsequent im Vordergrund stand. Dennoch war die Zuchtbasis extrem dünn und gegen Ende des 19. Jahrhunderts wäre die Rasse beinahe ausgestorben – der Ur-Labrador, auf den höchst wahrscheinlich alle heutigen Tiere irgendwie zurückgehen war „Avon“, ein Rüde, der 1855 geboren wurde.
Labradore sind schwarz – vorerst
Ursprünglich waren Labradore schwarz. Und nur schwarz. Allerdings gab es wohl immer wieder einige gelbe Hunde – die wurden rigoros ausgemerzt, was im Klartext heißt: erschlagen oder ersäuft. Der erste gelbe Labrador, der nicht als Fehlfarbe angesehen wurde entstammte der Zucht des Majors Charles Radclyffe und kam 1899 zur Welt.
Rassenanerkennung erst seit 1903
Der Labrador Retriever ist als eigenständige Rasse seit 1903 anerkannt – und zwar vom englischen Kennel Club (entsprechend ist der Labrador ein englischer Hund). Die Rasse wurde immer bekannter und beliebter und es entwickelten sich zwei Linien: die etwas kompaktere – manche sagen: dicke – Showlinie und die leichtere Arbeitslinie.
Der Labrador wird braun
Wie früher gelbe, so kamen auch hin und wieder braune Hunde vor – die Farbe war als Zuchtfarbe aber nicht anerkannt. Erst Cookridge Tango, gezüchtet von Mrs. Pauling, schaffte es 1964, als erster brauner Labrador offiziell anerkannt zu werden.
So, und jetzt werden die Labradore auch noch silberfarben
Fassen wir kurz zusammen: Der Labrador war ursprünglich schwarz oder gelb – wenn wir die Rasse-Anerkennung als „Stichtag“ nehmen. 61 Jahre später wurde der braune Labrador ebenfalls anerkannt und jetzt kämpfen die Züchter des silbernen Labradors darum, dass es sich bei ihren Tieren um „echte“ Labradore handle. Wenn der Verband genau gleich schnell reagiert wie das letzte Mal, dann dürfte die neue Farbe so um das Jahr 2040 anerkannt werden.
Die Sache mit den Farben
Wenn ein Zuchtverband die Farben festlegt, dann ist von vornherein Streit vorprogrammiert, beim Labrador ist das nicht anders. Die drei Farben: gelb, braun und schwarz zeigen sich in so vielen Schattierungen, dass es eigentlich ein Witz ist, von drei Farben zu sprechen. Das Gelb reicht von fast weiß bis hin zu ocker, das braun von hell- bis dunkelbraun. Nur schwarz ist schwarz. Fast. Es gibt kältere Farbschattierungen und wärmere – von leicht bläulich bis zu leicht bräunlich. Warum also soll es keine silberfarbenen geben? Auch hier wird ja unterschieden zwischen: Silber und Charcoal.
Woher kommt die silberne Farbe?
Die silberne Farbe ist eigentlich gar keine Farbe – es ist vielmehr eine aufgehellte Basisfarbe. Verantwortlich für die Aufhellung ist das so genannte Dilute-Gen und das ist keineswegs eine Besonderheit bei Labradoren. Das Gen gibt es auch bei Mäusen, Katzen (die Kartäuser-Katze ist sozusagen der Silber-Labrador unter den Katzen), Ratten – und sogar beim Menschen. Hier spricht man dann vom Griscelly-Syndrom. Generell sind Haut-, Fell- und Augenaufhellungen genetische Ausprägungen die – in unterschiedlicher Stärke – unter dem Begriff „Albinismus“ zu subsummieren sind.
Ein silberner Labrador ist also eigentlich nicht silbern, er erscheint nur so. Er ist braun und hat eine Gendisposition, welche dazu führt, dass die Farbstoffe in den Haaren, die Melanosomen, verklumpen. Dies wiederum führt – bei gleichbleibender Anzahl der Farbstoffe – zu einer verminderten Pigmentierung des Fells, der Haut und der Augen. Interessanterweise hellt sich beim Hund durch diese Konstellation nur das Eumelanin auf (zuständig für braun und schwarz) während das Phäomelanin (zuständig für blond und rot) nahezu unverändert bleibt.
Der silberne Labrador, der farblich einem Weimaraner gleicht, ist also genetisch „nur“ ein brauner Labrador, der chacoal Labrador ist ein schwarzer Labbi – beide mit einem (der „Normalfarbene“) bzw. zwei aktiven Dilute-Genen beim „Aufgehellten“.
Ein Blick auf die gelben Labradore und die Golden Retriever
Das gleiche Prinzip der Aufhellung findet man auch bei gelben Labradoren – und weitaus deutlicher bei den Golden Retrievern, die rehfarben, dunkelblodn, hellblond oder fast weiß sein können. Bei all diesen Farben spielt der Aufhellungsfaktor der Gene eine Rolle – allerdings nicht das Dilute-Gen sondern das noch weniger untersuchten I-Gen. Fakt ist: es gibt mehrere Aufhellungs-Gene, nicht alle sind erforscht und sie hellen unterschiedliche Farben auf. Auf jeden Fall ist das nichts Neues, und schon gar nichts Außergewöhnliches.
Die Vererbung des Dilute-Gens
Das Gen wird rezessiv vererbt – heißt: sowohl Vater als auch Mutter müssen Träger des Gens sein, damit es „aktiv“ wird. Da jeder Hund von seinen Elternteilen jeweils zwei Allele erhält (das ist die mögliche Ausprägung eines Gens) gibt es drei Gentypen (D steht für normale Färbung, d steht für das Dilute-Gen)
D/D – Vater und Mutter sind „normal“, es wird kein Aufhellungs-Gen vererbt, kein Welpe wird eine Fellaufhellung zeigen.
D/d – Vater oder Mutter haben das Dilute-Gen vererbt. Der Trägerhund sieht „normal“ aus. Wird der Hund allerdings mit einem Hund verpaart, der ebenfalls das Gen trägt, dann werden die Nachkommen zum Teil die helle Fellfarbe aufweisen.
d/d – beide Elternteile haben das Dilute-Gen vererbt – die Nachkommen werden hell.
Hat die Fellaufhellung gesundheitliche Konsequenzen?
„Nein“, sagen die meisten Züchter von Silber Labbis (wobei: eigentlich sagen die Züchter gar nichts darüber) – „Ja“, sagen die Verfechter der anderen Seite und „Man weiß es nicht genau“ sagen die wenigen, die versuchen, in der Diskussion einen klaren Kopf zu behalten. Tatsache ist, dass das Dilute-Gen bei einigen Hunden zu gesundheitlichen Problemen führen kann – mit Betonung auf kann!. Ebenso ist es leider nicht zu bestreiten, dass das Dilute-Gen eigentlich ein Gendefekt ist – es führt zu einer Verklumpung von Farbpigmenten.
Tatsächlich kann die Farbaufhellung zur so genannten Farbmutantenalopezie führen: Die Folgen sind schuppige, trockene Haut, und – meist als Folgeerscheinung – bakterielle Hautentzündungen. Davon betroffen sein kann grundsätzlich jeder Hund, der ein aktives Farbaufhellungs-Gen hat – also auch die silbernen oder charcoal farbenen Labradore. Heilbar sind diese Folgen nicht – logisch, es handelt sich ja um eine genetische Disposition – betroffene Hunde werden mit Antibiotika, Schwefelshampoos, Haarconditioner und befeuchtenden Sprays behandelt.
Hier führt die Farbaufhellung zu Problemen:
Dobermann: Hier spricht man vom Blue Dobermann Syndrom – die Zucht mit dem Dilute-Gen ist verboten.
Deutsche Dogge: Die Farbe „blau“ ist bei der Dogge dem Dilute-Gen zu verdanken. Bei den Doggen kann dieser Gendefekt zu Hautproblemen führen.
Australian Shepherd: Hier ist die Zucht mit dem Dilute-Gen verboten – es wird von Haar- und Hautproblemen berichtet, aber auch von Immunerkrankungen
Beim Weimaraner gehört das Gen zum Zuchtstandard
Der Weimaraner ist die bekannteste Rasse mit einem Dilute-Gen. Sie erhält ihre Fellfarbe durch das Aufhellungsgen – eigentlich ist der Weimaraner einfach ein brauner Hund. Den silbernen Labradoren wird oft vorgeworfen, sie seien quasi eingekreuzte Weimaraner. Farblich würde das nur Sinn machen, wenn der Labrador selbst ebenfalls Träger des Gens ist. Ist das nicht der Fall, können so viele Weimaraner eingekreuzt werden, wie man will – der Labbi wird niemals hell. Eben weil sich das Gen rezessiv vererbt (Es braucht schon zwei Genträger dazu).
Gibt es weitere gesundheitliche Probleme?
Schwer zu sagen. Der Verdacht ist allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen. Abgesehen von der oben erwähnten Farbmutantenalopezie – fällt einem bei silbernen Labradoren auf, dass die Pigmentierung nicht nur beim Fell schwächer ist, sondern dass sie auch deutlich hellere Nasenschwämme, Augen und Fußballen aufweisen. Das sind Anzeichen eines leichten Albinismus. Das alleine muss noch zu keinen Probleme führen – es kann aber: Insbesondere die hellen Augen könnten lichtempfindlicher sein (oder im Verlaufe der weiteren Zucht werden), ebenso ist bekannt, dass Menschen, die unter Albinismus leiden Probleme mit dem räumlichen Sehen haben können – ob das bei den Labbis auch so ist, weiß man (noch) nicht. Das Risiko, dass albinismus-typische Probleme auftauchen können, ist aber zumindest theoretisch vorhanden.
Silberfarbene Labradore – gut oder schlecht?
Wenn man versucht, die Emotionen bei Seite zu lassen kann man folgendes festhalten: Erstens: silber (und charcoal) farbene Labradore sind „echte“ Labradore – und haben grundsätzlich nichts mit Weimaranern zu tun (dass unseriöse Züchter solche Verpaarungen anbieten ist deswegen nicht ausgeschlossen). Zweitens: Das Dilute-Gen kommt keineswegs nur bei Labradoren vor, ist also nichts Besonderes, es kann – kann! – aber zu gesundheitlichen Problemen führen. Möglicherweise können diese Probleme durch erstklassige Zuchtselektion klein gehalten werden – wenn ich mir allerdings generell das Zuchtwesen ansehe, dann zweifle ich daran, dass das passieren wird. Dazu kommt die Sache mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung: Wenn das Dilute-Gen das Risiko für Hautprobleme erhöht, dann wird es das immer tun – ganz unabhängig davon, ob 5, 10 oder 100 „problemlose“ Würfe existieren.
Die neuen Farben haben ihren Reiz, optisch sind sie, auch wenn das Geschmackssache ist, wunderschön. Wenn ich mich allerdings als Zuchtverband entscheiden müsste, eine neue Rassenfarbe offiziell zuzulassen, die auf dem Dilute-Gen beruht, dann würde ich – aufgrund der möglichen gesundheitlichen Probleme – das nicht tun – oder zumindest noch nicht. Nun kann man einwenden, dass die möglichen und lediglich eventuellen Haarprobleme nun nicht gerade das größte und brennendste Problem der Labradorzucht sind. Ist richtig. Aber muss man sich noch mehr Risiken in die Rasse holen?
Ich bin aber überzeugt, dass der wahre Grund für die Verweigerung der Zulassung nicht das Gen ist, sondern einfach die Verbandsmeierei. Man will einfach nichts Neues, so wie man auch lange Zeit keinen braunen Labrador haben wollte – in diesem Fall könnte das sogar von gesundheitlichem Vorteil sein. Ob es der echte Grund ist, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Aktuell sind noch keine Probleme bei Silber-Labbis bekannt
Alle angefragten Züchter betonen, dass sie keinerlei gesundheitlichen Probleme bei ihren Silber-Zuchten haben. Allerdings liegen auch noch keine Langzeitstudien vor – nur Beobachtungen. Theoretisch kann es gut sein, dass die Labradore mit dem Dilute-Gen keine Schwierigkeiten haben – so wie Weimaraner. Theoretisch kann es aber genauso gut sein, dass sich die oben erwähnten Hautprobleme irgendwann manifestieren.
Bild: Stockphoto / Annemarie Wagner