Berlin bekommt ein neues Hundegesetz – Justizsenator Thomas Heilmann hat am 18. Dezember die Eckpunkte des neuen Gesetzes vorgestellt – bestehunde.de war bei dieser Vorstellung dabei und stellt die wichtigsten Neuerungen vor.
Generelle Leinenpflicht für alle
Die grundlegendste Neuerung ist die generelle Leinenpflicht für alle. Bis heute war Berlin ja eine der wenigen Städte, die diese generelle Pflicht nicht kannte – allerdings waren bereits bisher Hunde in Grünanlagen, in Geschäftshäusern, Treppenhäusern, Fußgängerzonen und im Wald außerhalb der Hundeauslaufgebiete an der Leine zu führen. Diese Pflicht wird nun generell ausgeweitet – heißt: Hund muss an die Leine. Immer und überall (außer in speziell ausgewiesenen Gebieten wie Hundauslaufgebiete oder Hundewiesen).
Ausnahmen sind möglich
Was auf den ersten Blick wie eine radikale Verschärfung klingt, ist auf den zweiten Blick ein typischer politischer „Ja-aber“-Kompromiss. Ja. Es müssen alle Hunde an die Leine – aber nur, wenn der Halter keine Sachkundebescheinigung (vulgo: Hundeführerschein) von der Behörde hat. Und wie kommt man an diese Bescheinigung? Das weiß man noch nicht so ganz genau… Wer auf jeden Fall eine Sachkundeprüfung abgelegt und bestanden hat, kann davon ausgehen, dass er auch die amtliche Bescheinigung bekommt – allerdings weist Thomas Heilmann darauf hin, dass man sich noch nicht so ganz darüber klar sei, welche Prüfungen denn nun anerkannt würden und welche nicht.
Keine Leinenpflicht für dicke Dackel
Wer nachweisen kann, dass er in den letzten sechs Jahren mindestens drei Jahre ununterbrochen einen Hund gehalten hat ohne dass es zu Gefahrensituationen gekommen ist (sprich: wer Hundesteuer bezahlt und keine Anzeige bekommen hat) der ist ebenfalls von der Leinenpflicht befreit – vollkommen unabhängig davon, was die Ursache für die Situation ist. Deshalb der Titel: Eine alte Frau mit einem massiv übergewichtigen Dackel, der nur zwei Mal am Tag für 5 Minuten Gassi gehen darf bekommt alleine auf Grund der Tatsache, dass der halb blinde Dackel noch nie jemanden gebissen hat, amtlich Hundesachverstand zugesprochen. Ein extemes Beispiel? Ja sicher – aber die Politiker argumentieren auf der anderen Seite auch mit extremen Beispielen.
Claudia Engfeld, Sprecherin der Senatsverwaltung für Justiz dazu: „Die Idee des Hundegesetzes ist es, ein möglichst reibungsarmes Zusammenleben zwischen Hunden und Menschen zu ermöglichen – wir können nicht überprüfen, ob ein Hund artgerecht gehalten wird.“
Wer sonst noch von der Leinenpflicht befreit ist
Tierärzte, Diensthundeführer, Hundehalter mit einem geprüften Jagdgebrauchshund (was das genau ist, weiß in Berlin niemand so ganz genau), Züchter mit Zuchterlaubnis, behördlich anerkannte Hundesachverständige. Also ändert sich eigentlich gar nichts, außer für die wenigen, die während der letzten drei Jahre eine dokumentierte „Gefahrensituation“ hatten oder den Hund nicht ordentlich angemeldet haben. Und: Man muss sich jetzt aktiv um die Leinenbefreiung kümmern – die amtliche Sachkundebescheinigung wird sicher was kosten.
Überarbeitete Rasseliste
Zweiter Eckpunkt des neuen Berliner Hundegesetzes ist die überarbeitete Rasseliste in welcher die „gefährlichen Hunde“ aufgeführt sind. Bis jetzt waren 10 Rassen vertreten – jetzt sind es noch vier (Pitbull, American Staffordshire, Bullterrier, Tosa Inu). Warum nun genau die vier Rassen übrig geblieben sind, ist nicht so ganz nachvollziehbar – ebenfalls nicht warum überhaupt noch Rassen in diese Liste kommen. Vor ein paar Jahren hat man im Brustton der Überzeugung verkündet, 10 Rassen – das sei genau richtig und sorgfältig entschieden. Nun sind es noch vier. Hat man jetzt besser überlegt als vor ein paar Jahren?
Gefährliche Hunde sind nicht zwingend gefährlich… ja, aber
Kompromiss, die zweite. Die vier genannten Hunderassen gelten generell erst mal als gefährlich, alle anderen nicht. Allerdings können auch die so genannten Listenhunde von der Leinenpflicht befreit werden – dazu benötigt es wiederum den Sachkundenachweis, eine Haftpflichtversicherung und den Nachweis der Sozialverträglichkeit des Hundes.
Auf der anderen Seite kann jeder andere Hund von den Behörden nach einem Vorfall als „gefährlich“ eingestuft werden und unterliegt dann den selben Vorschriften wie ein Listenhund – bis er wiederum bewiesen hat, dass er doch nicht gefährlich ist.
Noch etwas: Geht ein gefährlicher Hund Gassi, so muss er das alleine tun, das Führen eines gefährlichen Hundes mit anderen zusammen ist nicht gestattet.
Mikrochip wird freiwillig – außer bei gefährlichen Hunden
Dritter Eckpunkt ist die zukünftig freiwillige Chip-Pflicht – für gefährliche Hunde bleibt die Pflicht bestehen. Wird ein gefährlicher Hund von der Leinenpflicht befreit, darf der Chip auch nicht rausoperiert werden… zusätzlich soll eine zentrale Datei die Daten koordinieren und soll zur Gewinnung statistischer Erkenntnisse dienen. Allerdings ist die Pflicht zur elektronischen Kennzeichnung eines Hundes in Berlin eh nicht viel wert, denn die Ordnungsämter verfügen über keine Auslesegeräte…
Weitere Punkte im neuen Berliner Hundegesetz
Es gibt eine Haftpflichtversicherungs-Pflicht bei der ist der Selbstbehalt auf maximal 500 Euro pro Versicherungsjahr gedeckelt, weiterhin besteht Halsbandpflicht und auf dem Halsband muss der Name und Anschrift des Hundehalters vermerkt sein, die Hundesteuermarke muss ebenfalls am Halsband befestigt sein.
Fazit des neuen Berliner Hundegesetzes
Noch ist es kein Gesetz, aber Thomas Heilmann hat klar gesagt, dass die Eckpunkte so gut wie final formuliert sind. Über das Gesetz als solches kann man geteilter Meinung sein – aus unserer Sicht ist es ein typischer Kompromiss, der von allen akzeptiert werden kann, den aber keinen wirklich gut findet. Das Hauptproblem, die Durchsetzbarkeit bzw. die Kontrolle wird ebenfalls nicht verbessert, denn diese ist Sache der Bezirke. Im Klartext: es gibt ein Gesetz mehr, damit verbunden natürlich auch ein größeres Gebiet auf dem dieses Gesetz gilt – aber immer noch gleich wenig Leute, die es kontrollieren. Sprich: Die Kontrolldichte wird geringer.
Heilmann vertraut auf das Gute im Menschen
Darauf angesprochen argumentiert Thomas Heilmann: „Nur weil es Leute gibt, die sich nicht an Gesetze halten heißt das nicht, dass man keine Gesetze erlassen muss – das neue Hundegesetz wurde gemeinsam mit interessierten Kreisen erarbeitet und genießt deshalb eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung. Das ist die beste Basis, dass es auch befolgt wird.“ Wir werden sehen.