
Wir hören es mittlerweile an jeder Ecke, in jedem Forum, in jeder Hundeschule: Der Hund muss ausgelastet werden, sonst wird er wahlweise asozial, aggressiv, dumm oder depressiv. Und zahllose Hundehalter rasen nach diesen Belehrungen los und kaufen Hundespielzeug, auf dass ihr Hund wiederum wahlweise lerne, Memory zu spielen, einen Leckerchen-Ball durch die Gegend schiebt oder Rolle vorwärts und rückwärts mache. Fälschlicherweise glauben viele Menschen, dass ein Hund, der Spiele oder Kunststückchen lernt, automatisch ausgelastet sein müsse und ergo auch glücklich. Falsch. So einfach ist es leider nicht.
Was ist Auslastung eigentlich?
Um zu verstehen, warum die so genannte Auslastung wichtig ist, hilft es, zu verstehen, was Auslastung eigentlich ist – und zwar nicht nur beim Hund. Unter Auslastung versteht man, dass ein Lebewesen – in unserem Falle ein Hund – alle (!) seine ihm angeborenen und angezüchteten Fähigkeiten möglichst umfassend nutzen kann. Das wiederum bedeutet, dass das Hundehirn in all seinen Bereichen gefordert und entsprechend trainiert wird. Eine effektive Auslastung kann man also nicht mit Spielen erreichen (auch wenn das selbstverständlich hilft), sondern nur mit einer Kombination aus unterschiedlichen Aktivitäten, die zudem auf die besonderen Anforderungen der unterschiedlichen Hunde(rassen) abgestimmt werden müssen.
Die vier Arten der Auslastung
Es gibt vier Arten der Auslastung, die sich voneinander unterscheiden, sich aber auch ergänzen und die sich nicht immer genau voneinander abgrenzen lassen: Die körperliche Auslastung, die geistige Auslastung, die soziale Auslastung und die rassespezifische Auslastung. Alle vier Teile müssen zusammenspielen, damit ein Hund perfekt ausgelastet werden kann – nun ist Perfektion zwar anzustreben, aber nur selten zu erreichen. Nichtsdestotrotz hat der Hundehalter die Verantwortung, seinem Hund eine möglichst optimale Kombination an Auslastungs-Methoden anzubieten. Hunderassen unterscheiden sich zudem darin, wie „tolerant“ sie gegenüber alternativen Auslastungsmethoden und Maßnahmen sind.
Körperliche Auslastung
Diese ist sehr einfach zu verstehen: Ein Hund muss sich bewegen können. Frei bewegen. Aber auch hier sind bereits rassetypische Besonderheiten zu berücksichtigen. Überraschenderweise für viele Menschen, brauchen Windhunde zum Beispiel gar nicht immer so viel Bewegung – aber sie sollten frei laufen können, rennen. Ein Jagdhund braucht im Schnitt mehr Bewegung als ein Herdenschutzhund. Ein Malteser ist körperlich schneller ausgelastet als ein Mailinois – das ist keine weltbewegende Neuigkeit, das sehen die meisten Menschen ein.
Geistige Auslastung
Das ist die Auslastung, die meistens gemeint ist, wenn der Begriff auftaucht. Für diese Auslastung wurde und wird Hundespielzeug erfunden. Diese geistige Auslastung wird aber nicht nur mit Spielen, sondern auch mit Erziehung erreicht. Grundsätzlich bewirkt jede geistige Forderung und Förderung eines Hundes dessen geistige Auslastung. Dabei benötigt es – rassespezifisch – nicht besonders viel Zeit, einen Hund geistig auszulasten: in den meisten Fällen sind 30 Minuten am Tag ausreichend.
Soziale Auslastung
Ein Hund braucht soziale Kontakte –er muss lernen, mit Artgenossen unterschiedlicher Art klar zu kommen, muss neue und für ihn ungewohnte Kommunikationsformen kennen lernen und muss lernen, sich zu artikulieren, muss lernen andere Hunde einzuschätzen, Drohungen zu erkennen. Er muss lernen, nachzugeben, auch mal zu dominieren – und er muss lernen, wie ein Spiel funktioniert. Und wenn der Hund es gelernt hat, dann muss er es auch anwenden können –dies alles fassen wir unter dem Begriff „soziale Auslastung“ zusammen.
Rassespezifische Auslastung
Als vierte Art der Auslastung wollen wir die rassespezifische Auslastung anführen. Diese Art der Auslastung ist quasi eine Mischung der anderen Arten, weist aber einige Besonderheiten auf. So gibt es Hunderassen bei denen diese rassespezifische Auslastung besser als bei anderen ersetzt werden kann. Als Beispiel hier kann das Dummytraining für Retriever gelten, das die Jagdfähigkeiten ausnutzt und in geordnete Bahnen lenkt. Windhunde können ihre rassespezifischen Bedürfnisse auf der Rennbahn ausleben und Hütehunde können zum Beispiel mit Treibball beschäftigt werden.
Allerdings gibt es auch Hunderassen, deren rassespezifischen Bedürfnisse nur schwer substituiert werden können: unter den Hütehunden sei hier der Border Collie genannt, dem auch Treibball- und andere Ersatzspiele niemals die Auslastung geben, wie „richtiges“ Hüten. Herdenschutzhunde haben ebenfalls eine starke rassetypische Disposition. Die von ihnen verlangte Selbstständigkeit beim Schutz der Herden und das Sichern des Territoriums kann nur schwer mit Ersatzaufgaben kompensiert werden.
Das „Auslastungs-Viereck“ als Hilfsmittel zur Rassenwahl
Im Idealfall kann man seinem Hund die perfekte Auslastung in allen vier Bereichen bieten. Dieser Idealfall wird aber selten bis nie eintreten. Für die Wahl der passenden Hunderasse kann aber ein Blick auf die vier Arten der Auslastung bei der gewünschten Rasse helfen –und hier vor allem ein Blick auf die rassespezifische Auslastung. Ein Hund ist dort gut aufgehoben, wo man ihm auch in diesem Bereich eine Auslastung bieten kann oder zumindest eine adäquate Ersatzbeschäftigung. Ist das nicht möglich, eignen sich andere Hunderassen besser.
Ein Hund ist umso „einfacher“ zu halten, je leichter seine rassetypischen Bedürfnisse erfüllt oder durch Alternativen ersetzt werden können.